In den Armenvierteln Boliviens setzen die Menschen weiter auf Evo Morales

Vorbild und Hoffnungsträger

Evo Morales - der erste indianische Präsident Boliviens tritt heute seine zweite Amtszeit an. Landesweit wurde er mit deutlichen 64 Prozent wiedergewählt, obwohl Bolivien weiterhin eines der ärmsten Länder Südamerikas ist. Und ohne Konflikte ist seine Präsidentschaft bislang nicht verlaufen. Unter anderem hat eine umstrittene Verfassungsänderung durchgesetzt.

Predigt gerne: Evo Morales (DR)
Predigt gerne: Evo Morales / ( DR )

Die Kleinbuskarawane kommt ins Stocken. Verkaufsstände aus Holz und Blech säumen die staubige Hauptverkehrsstraße im Armenbezirk Plan Tres Mil der ostbolivianischen Tieflandmetropole Santa Cruz. Neben Lebensmitteln werden raubkopierte DVDs und CDs feilgeboten, Artikel für Haushalt und Hygiene, Schreibwaren, Kleider, Schuhe. Die meisten hier haben im Dezember Evo Morales wiedergewählt.

«Das Geschäft läuft schlecht», klagt Remigia Miguel, eine kräftige Frau mit langem schwarzen Zopf. «Es gibt immer mehr Schuhverkäufer». Zur Zeit verdient die neunfache Mutter weniger als ihr Mann, der in einer Schneiderwerkstatt angestellt ist. Als 18-jähriges Mädchen kam sie aus dem Hochland nach Santa Cruz - auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben. Vier ihrer Geschwister sind mittlerweile nach Spanien ausgewandert.

Rassismus wächst stetig
In Santa Cruz, wo die konservative Opposition den Ton angibt, werden die dunkelhäutigen Zuwanderer verachtet. Parallel zum Aufstieg von Morales zeigt sich in den vergangenen Jahren der Rassismus immer unverhüllter. Wenn sie in der kolonialen Altstadt Schuhe verkauft, erlebt ihn auch Remigia Miguel.

In den gut hundert Stadtvierteln des Plan Tres Mil wohnen fast ausschließlich arme, aus ländlichen Gebieten zugewanderte Bolivianer indianischer Herkunft - zwischen 250.000 und 300.000, so genau weiß das niemand.

Den Präsidenten möchte sie für ihre Probleme aber nicht verantwortlich machen. «Jetzt gibt es doch Zuschüsse für Schulkinder und Schwangere, und den Alten gibt er eine höhere Rente», benennt sie die drei wichtigsten Sozialprogramme der Regierung. Um die zu finanzieren sicherte Morales einen bedeutend höheren Anteil aus dem Erdgasexport für die Staatskasse als seine Vorgänger. Vor Morales'
Amtsübernahme Anfang 2006 gaben die Förderfirmen 27 Prozent der Reingewinne an den Staat ab. Heute sind es je nach Förderanlage bis zu 77 Prozent.
Bolivien 2008 am Rande eines Bürgerkriegs
«Der Widerstand hier war ganz entscheidend für die Niederlage der Opposition im September 2008, als Bolivien am Rande eines Bürgerkrieges stand», erläutert Domingo Faldín. Mit Jugendlichen organisiert der Sozialarbeiter Kulturprojekte - Stelzentanz, Theater, Musik. Er nennt es seinen Beitrag zur «demokratisch-kulturellen Revolution» des Staatschefs: «Dadurch wird das Selbstbewusstsein der jungen Leute gestärkt, und etwas Ähnliches passiert in ganz Bolivien, seitdem Evo regiert».

Im «Justizzentrum» erhalten die Anwohner kostenlose Rechtsberatung und Hilfe bei ihrem Kampf mit der Bürokratie. «Es geht uns darum, den Ärmsten die Bürgerrechte zu garantieren, angefangen bei der Geburtsurkunde», sagt Hipólito Díaz Sandoval, der Leiter der Behörde. «Regieren ist nicht leicht, wenn große Teile des Staatsapparats von den Vorgängern übernommen werden müssen und die rassistische Rechte alles blockiert, was sie nur kann», sagt der Funktionär des Justizministeriums.

An den Straßenständen geht das Treiben bis in den späten Abend weiter. Die Kleinbusse spucken jene Bewohner aus, die als Straßenverkäufer, Hausangestellte oder Wachleute im «reichen» Santa Cruz arbeiten. Für sie bleibt Morales, der es mit Ausdauer bis an die Spitze des Staates geschafft hat, Vorbild und Hoffnungsträger.