"Was als Konflikte im Namen der Religion bezeichnet wird, sind in Wahrheit politische Konflikte, die den Namen der Religion gestohlen haben", sagte al-Tayyeb dem Portal "Vatican News" (Freitag). Der Glaube werde in solchen Fällen mit "korrupten Interpretationen beladen, um weltliche Eroberungen und Interessen zu erreichen".
Kritik an frauenfeindlichen Haltungen
Der islamische Gelehrte ging auch auf frauenfeindliche Tendenzen in einigen muslimisch geprägten Ländern ein. Der Prophet Mohammed habe betont, dass Frauen den Männern gleichgestellt seien. "Kein Muslim, der seinem Glauben treu ist, kann den Frauen die vom Islam garantierten Rechte wegnehmen", so der Großimam.
Frauenfeindliche Haltungen seien "nichts anderes als ein Sieg veralteter und überholter Gewohnheiten und Bräuche, die dem Gesetz des Islam und seinen Regeln schaden". Zugleich warnte der Ägypter indes vor einem säkularen Verständnis von Frauenrechten, das die religiöse Moral und die menschliche Natur missachte.
Lob für Papst-Enzyklika
Papst Franziskus und Ahmad al-Tayyeb hatten im Februar 2019 in Abu Dhabi das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen" unterzeichnet. In dem Schreiben, das als wegweisend für den interreligiösen Dialog gilt, wird Gewalt im Namen der Religion eine deutliche Absage erteilt.
Gleichzeitig lobte der Großimam auch die vor einem Jahr erschienene Papst-Enzyklika "Fratelli tutti". Diese sei ebenfalls aus den Überlegungen rund um das Dokument von Abu Dhabi entstanden, sagte al-Tayyeb. Daher sei dieses Rundschreiben auch eine wichtige Lektüre für Muslime und Gläubige anderer Religionen.