Bei strahlendem Sonnenschein haben rund 120.000 Gläubige auf den Elbwiesen vor Wittenberg den Abschlussgottesdienst des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentags gefeiert. Es war der größte Gottesdienst in diesem "Reformationssommer" zum Gedenken an den legendären Thesenanschlag von Martin Luther vor 500 Jahren und ein starker Auftakt zur "Weltausstellung der Reformation" in der Lutherstadt. Ein voller Erfolg - wenn da nicht die geweckten Erwartungen noch deutlich höher gewesen wären.
Mehr als 200.000 Menschen hatten die Veranstalter in die 48.000 Einwohner-Stadt transportieren wollen, 60 Sonderzüge hatte die Deutsche Bahn von Berlin aus bereit gestellt, die auf dem eigens erweiterten Bahnhof im Zehn-Minuten-Takt zehntausende Kirchentagsbesucher aus Berlin entlassen sollten. Weitere sollten darüber hinaus von den sechs "Kirchentagen auf dem Weg" von Süden und Westen her anreisen. Auch wenn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Kirchentag, die erstmals gemeinsam eine solche Großveranstaltung ausgerichtet haben, sich offiziell vor allem über die vielen freuten, die gekommen waren, ist die Enttäuschung nicht wegzureden.
Der große Star: Barack Obama
So bleibt ein Kirchentag in Erinnerung, der vor allem durch den Besuch des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama seinen Stempel aufgedrückt bekam. 70.000 Menschen wollten ihn bei seinem Auftritt zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Brandenburger Tor sehen - so viele, wie an allen drei Eröffnungsgottesdiensten zusammen teilnahmen. Nicht ohne Grund hatten die Veranstalter ihn eigentlich als "Zugpferd" für Wittenberg vorgesehen.
Überhaupt: Wer Spitzenpolitiker sehen wollte, saß beim Kirchentag prinzipiell in der ersten Reihe. Fast die ganze Bundesregierung, SPD-Chef Martin Schulz, mehrere Ministerpräsidenten und nicht zuletzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gaben sich die Ehre. Gleichwohl gab es nicht "das" politische Spitzenthema, das den Kirchentag geprägt hätte. Flüchtlinge und Asylpolitik, Populismus und Fake-News sowie Fragen im Zusammenhang mit dem Islam sorgten für die üblichen Schlagzeilen, ohne dass es zu besonderen Zuspitzungen kam.
Protest gegen Verteidigungsministerin
Fast zu erwarten war das Scharmützel beim Friedensgottesdienst mit dem evangelischen Militärbischof Sigurd Rink und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Zwei Aktivistinnen, die sich als "Gottes Gören" bezeichneten, seilten sich von der Empore ab, weitere gingen mit einem Transparent mit der Aufschrift "Keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr" zum Altarraum vor - im Vergleich zu den harten Auseinandersetzungen früherer Jahre nur ein kleiner Störfall. Ein Aufreger war auch die einzige Veranstaltung mit Beteiligung der AfD, bei der der Berliner Bischof Markus Dröge mit einer Vertreterin der "Christen in der AfD" darüber diskutierte, ob diese Kombination zulässig sei.
In vieler Hinsicht war der Kirchentag ökumenisch geprägt - sei es durch die Leihgabe von Altar und Lesepult aus den Beständen des Katholikentags für den Gottesdienst in Wittenberg, sei es durch die zahlreichen katholischen Teilnehmer (8,6 Prozent). Mehrere katholische Bischöfe wirkten bei Bibelarbeiten und den Hauptgottesdiensten mit, an ihrer Spitze der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx.
"Starkes Zeichen für Ökumene"
Aus Sicht des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm wurde damit ein "starkes Zeichen für die Ökumene" gesetzt. Auch die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland war in diesem Jahr - anders als 2015 in Stuttgart - wieder eingeladen und beteiligte sich mit einer orthodoxen Vesper mit dem Ritus des Brotbrechens (Artoklasia). Manche Katholiken und Orthodoxe hätten sich allerdings auch eine stärkere Beteiligung an den Podien zu Sachthemen gewünscht.
Angesichts der jüngsten Terroranschläge - erst am Freitag erschütterte die Nachricht vom Attentat in Ägypten auf koptische Christen auch den Kirchentag - fanden die Veranstaltungen in diesem Jahr unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ab. Die Teilnehmer nahmen die sichtbare Polizeipräsenz und die Kontrollen gelassen hin und ließen sich die gute Stimmung dadurch nicht verderben.