DOMRADIO.DE: Sie feiern in Ihrer Gemeinde einmal im Jahr einen Whisky-Gottesdienst. Was heißt das? Das ist sicher nicht die Verkostung in der Messe, oder?
Pfarrvikar Dr. Dr. Wolfgang Rothe (Pfarrei Verklärung Christi in München): Das ist richtig. Im Gottesdienst wird der Whisky zwar thematisiert, aber die Verkostung findet dann anschließend im benachbarten Pfarrsaal statt.
DOMRADIO.DE: Diese Messe wird dann auch besonders gestaltet. Fühlt man sich da ein bisschen wie in Schottland?
Rothe: Ja, genau. Allerdings ist es keine Messe, sondern immer ein ökumenischer Gottesdienst. Da ist man bei der Gestaltung ein bisschen freier. Die Musik fällt sehr schottisch aus, nämlich mit einem Ensemble von Dudelsackspielern und einer Sängerin, die mit einem Ensemble schottische Folkmusik zu Gehör bringt.
DOMRADIO.DE: Sie haben eben schon gesagt, dass es inhaltlich auch um den Whisky geht. Aber was hat Whisky mit dem Glauben oder mit Spiritualität zu tun?
Rothe: Da gibt es sehr viele Verbindungspunkte. Whisky ist vermutlich das einzige Produkt, das hinter Klostermauern erfunden worden ist. Im Verlauf des Mittelalters ist man in einem schottischen oder irischen Kloster auf die Idee gekommen, dass man hochprozentigen Alkohol auch aus vergorener Getreidemaische herstellen kann. Bis dahin hat man das aus Wein gemacht, den man teuer und aufwendig nach Schottland importieren musste. Hochprozentigen Alkohol brauchte man in klösterlichen Krankenstationen zur Herstellung medizinischer Tinkturen.
DOMRADIO.DE: Wo genau ist dann die Verbindung zur Spiritualität bei diesem Thema?
Rothe: Die Whisky-Verkostung hat beinahe etwas Meditatives. Wenn man einen Whisky verkosten möchte, dann kommen alle Sinne zum Einsatz. Das heißt, es ist auch eine große Achtsamkeit notwendig, um einem Whisky seine Aromenvielfalt und Fülle zu entlocken. Das hat geradezu etwas von einem Ritual, beinahe etwas Liturgisches. Eine Whisky-Verkostung gleicht einer Meditationsübung. Die Leute, die an einer Verkostung teilnehmen, sollen auch lernen, andere Dinge im Leben wieder neu und intensiver wertzuschätzen, als man das normalerweise tut.
DOMRADIO.DE: Diese Gottesdienste sind sehr gut besucht. Sind da mehr Männer als Frauen in der Kirche?
Rothe: Das hält sich in etwa die Waage. Bei den meisten Whisky-Veranstaltungen sind die Männer deutlich in der Überzahl. Bei den Gottesdiensten nimmt der Frauenanteil dann wieder deutlich zu. Ich erlebe es sonst eher selten, dass eine Kirche schon eine Stunde vor Beginn eines Gottesdienstes geradezu belagert wird und die Leute sich die Sitzplätze reservieren, um überhaupt in die Kirche reinzukommen. Es ist mittlerweile der bestbesuchte Gottesdienst des ganzen Jahres bei uns.
DOMRADIO.DE: Entstehen durch die persönlichen Gespräche über den Whisky auch Gespräche über den Glauben? Ziehen Sie die Menschen mit diesem Thema sozusagen in Ihre Kirche?
Rothe: Bei diesem Anlass werden auch Gespräche über Glauben geführt. Ich bin sehr viel auf Whisky-Veranstaltungen und Whisky-Messen präsent. Das Gespräch kommt immer ganz automatisch auch auf Themen wie Glaube, Religion und Spiritualität. Die Themen brennen vielen Menschen sehr unter den Nägeln, aber es fehlt ihnen die Gelegenheit, um sie mal zur Sprache zu bringen. Das ist natürlich auch ein Effekt des Whiskys. Er lockert den Leuten die Zunge und sie kommen auf die Themen zu sprechen, die ihnen wirklich wichtig sind und die sie sonst vielleicht nicht ohne Weiteres ansprechen würden.
DOMRADIO.DE: Getränke kann man eigentlich nicht miteinander vergleichen, aber heute ist zum Beispiel auch Tag des Weines. In der Kirche gibt es Messwein und da gibt es auch Menschen, die sagen, dass es besondere Rituale in der Verkostung gibt. Auch da kann man mit achtsamem Trinken des Getränks verschiedene Geschmacksnuancen herausschmecken. Was ist für Sie da der Unterschied?
Rothe: Die Whisky-Verkostung ist nicht der einzige oder beste Weg. Es ist eben eine Möglichkeit, den Glauben auf eine Weise zur Sprache zu bringen, die in der heutigen Zeit funktioniert. Die Menschen finden das interessant, spannend und anziehend. Whisky ist im wahrsten Sinne des Wortes zurzeit in aller Munde. Insofern ist das einfach ein Thema, das funktioniert. Das kann man von vielen anderen Dingen in der Kirche nicht unbedingt sagen.
DOMRADIO.DE: In Zusammenarbeit mit dem bayerischen Pilgerbüro organisieren Sie auch Whisky-Wallfahrten. Es geht natürlich nach Schottland. Welche Orte steuern Sie dabei an? Gibt es einen Pilgerort, an dem man auch unbedingt einen Whiskey trinken sollte?
Rothe: Es gibt viele dieser Orte. Das sind aber meistens eher unbekannte, verborgene Orte. An denen haben sich in der Vergangenheit irgendwann mal die Wege der Spiritualität und des Whiskys gekreuzt. Ich habe zum Beispiel auch ein Buch zu dem Thema geschrieben, in denen ich diese Orte vorstelle. Viele Klöster im Mittelalter hatten eine eigene Brauerei, weil die Mönche in der Fastenzeit das Bier als zusätzliche Nahrung benötigten. Gleichzeitig wurde dort auch destilliert, weil man den hochprozentigen Alkohol in den Krankenstationen gebraucht hat. In den Whisky-Destillerien gibt es heute noch viele Spuren, die auf eine alte klösterliche Vergangenheit hinweisen. Es gibt auch eine Destillerie, die ganz in der Nähe eines wunderbaren frühmittelalterlichen keltischen Kreuzes steht und sogar einen Whisky herausgebracht hat, der nach diesem Kreuz benannt ist. Es heißt Kildalton Cross. Es gibt also ganz viele Orte, die man aufsuchen und entdecken kann, an denen die Spiritualität und der Spirit, der Whisky, gleichermaßen spürbar sind.
DOMRADIO.DE: Im Rheinland wird am Donnerstag der Straßen- und Kneipenkarneval eröffnet. Das ist eine Zeit, in der tatsächlich auch vormittags schon Alkohol getrunken wird. Allerdings ist das meistens Bier oder ab und zu auch Schnaps. Würde Whisky auch zu so einem Karnevalsfest passen?
Rothe: Whisky passt eigentlich immer. Sogar in der Fastenzeit, weil er, wenn man ihn in rechter Weise verkostet, etwas Meditatives hat. Aufpassen sollte man, wenn man sich in einer Situation befindet, in der man dem Whisky nicht die nötige Achtsamkeit und Aufmerksamkeit entgegenbringen kann. Whisky ist absolut kein Getränk, mit dem man seinen Durst stillen sollte.
Das Interview führte Dagmar Peters.