Ausstellung mit Werken des Renaissance-Malers Kemmer

Der "Cranach von Lübeck"

Ein Superstar und ein "Hidden Champion" stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung in Lübeck. Sie zeigt Werke des Renaissance-Malers Hans Kemmer und seines berühmten Lehrers Lucas Cranach des Älteren.

Autor/in:
Von Michael Althaus
Christus und die Ehebrecherin von Hans Kemmer / © St.-Annen-Museum (Die Lübecker Museen)

Im Erdgeschoss des Lübecker St. Annen-Museums ist die "Welt noch in Ordnung" - wie Museumsleiterin Dagmar Täube es ausdrückt. Hier stehen Schnitzaltäre und gemalte Retabel, geziert von allerlei bunten Heiligenfiguren, Mariendarstellungen und Christ-König-Bildnissen.

Kostbare Kunstwerke, die Ausdruck des mittelalterlichen Weltbilds sind und mit denen sich ihre Stifter häufig einen Platz im Himmel sichern wollten. "Jenseitsvorsorge" nennt Täube das. Doch mit der Reformation geriet dieses Weltbild ins Wanken. "Der Mensch und seine Selbstbestimmung rückten in den Fokus."

Unbekannter Meister

In dieser Umbruchzeit lebte der Lübecker Maler Hans Kemmer (um 1495-1561), dem das St. Annen-Museum eine Sonderausstellung widmet. Den Schüler des berühmten Renaissance-Malers Lucas Cranach des Älteren (um 1472-1553) nennt Täube einen "Hidden Champion". Er sei bislang auch in seiner Heimatstadt weitgehend unbekannt. Das wolle die Ausstellung, die anlässlich seines 460. Todestags stattfindet, nun ändern.

Die Schau mit dem Titel "Cranach - Kemmer - Lübeck. Meistermaler zwischen Renaissance und Reformation" ist ab Sonntag bis zum 6. Februar zu sehen. Sie enthält gut 60 Werke von Leihgebern aus Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Österreich, Polen und den USA.

Themen Sünde und Erlösung

Von Kemmers Leben ist nicht viel bekannt. Wahrscheinlich ging er zunächst bei Lübecker Meistern in die Lehre, bevor er von 1515 bis 1520 eine Ausbildung in Cranachs Werkstatt in der Reformationsstadt Wittenberg genoss. Zurück in Lübeck schuf Kemmer als Auftragsmaler zahlreiche Porträts örtlicher Persönlichkeiten. Außerdem beschäftigte er sich in seinem Werk mit reformatorischen Themen wie Sünde und Erlösung. Heiligendarstellungen verkauften sich nicht mehr und hatten ausgedient.

Wie viele Werke Kemmer schuf, ist nicht bekannt. Nur 29 sind noch erhalten. Dem Museum, dem bislang lediglich 7 davon gehörten, ist es gelungen, 22 in der Ausstellung zu versammeln. Dafür mussten Täube und ihr Team anderthalb Jahre auf Spurensuche gehen. Kein einfaches Unterfangen - zumal sich einige Kemmer-Werke in Privatbesitz befinden.

Die Schau präsentiert - weitgehend im Obergeschoss des Museums - Kemmer im Dialog mit 42 Werken Lucas Cranachs sowie seiner Schüler und Nachfolger. So hängt etwa Kemmers "Die Liebesgabe" zwischen zwei Cranach-Bildern, aus denen er wesentliche Motive entlehnte - zum Beispiel ein Pferd, das hinter einem Baum hervorlugt. Zudem sind Anklänge an Cranachs "Das 6. Gebot" zu erkennen - besonders brisant, weil es sich bei dem Kemmer-Werk um ein Verlobungsbildnis eines Lübecker Paars handelt.

Moralische Botschaften

"Es ist typisch für Kemmer, dass er die Lübecker Szene mit der reformatorisch-moralischen Botschaft 'Du sollst nicht ehebrechen' verknüpft", erläutert Täube. Weitere Werke des Künstlers tragen Titel wie "Gesetz und Gnade" oder "Christus und die Ehebrecherin", die auch Cranach schon verwendete.

Vor der Ausstellung stellten die Organisatoren umfangreiche Forschungen an. Unter anderem blickten sie mit einer Infrarot-Kamera unter die Oberfläche mehrerer Kemmer-Werke, um frühere Schichten und Unterzeichnungen sichtbar zu machen. So gewannen sie Erkenntnisse über Kemmers Technik. Auch ließen sie Werke, die der Wittenberger Cranach-Werkstatt zugeschrieben werden, auf Spuren Kemmers untersuchen. Ergebnis: Mehrere Bildnisse tragen zumindest in Teilen die Handschrift des Meisterschülers.

"Cranachs Lübeck"

Insgesamt ist es den Ausstellungsmachern gelungen, ein umfangreiches, anschauliches Bild des "Cranachs von Lübeck" zu zeichnen - wie er in einem Werbeprospekt genannt wird. In einem gut 300-seitigen Katalog sind die Forschungsergebnisse zusammengetragen. Erarbeitet wurde auch ein umfangreiches Begleitprogramm.

Ein Stadtspaziergang führt zu den Orten in Lübeck, an denen Kemmer gewirkt und gelebt hat. Die Schau macht deutlich: Es lohnt sich, die Aufmerksamkeit nicht nur auf die großen Meister, sondern auch auf ihre Schüler zu richten. Diese können wiederum zu Meistern werden.


"Die Liebesgabe" von Hans Kemmer / © St.-Annen-Museum (Die Lübecker Museen)
Quelle:
KNA