Der Ethikrat sucht Rat zu Babyklappen und anonymer Geburt

Schwierige Themen

Bei seiner ersten öffentlichen Anhörung befasst sich der Deutsche Ethikrat an diesem Donnerstag mit der Bewertung von Babyklappen und anonymen Geburten. Damit gilt erstmals ein solches Sachverständigengespräch einem Thema jenseits von Bioethik und Lebenswissenschaften. Schon zum Auftakt des neuen Ethikrats hatte der Vorsitzende Edzard Schmidt-Jortzig eine Ausweitung des Themenspektrums angekündigt.

 (DR)

Babyklappen und die Möglichkeit der anonymen Geburt sind in Deutschland verbreitet. Und doch bewegen sich jene, die dabei tätig werden in einer rechtlichen Grauzone. Nach Angaben der Berliner Juristin Ulrike Riedel, die dem Ethikrat angehört und sich seit langem mit dem Thema befasst, gibt es derzeit in Deutschland rund 80 Babyklappen; zudem böten etwa 130 Kliniken anonyme Geburten an. Im Internet finden sich rasch Listen von Einrichtungen mit Namen wie «Babynest», «Moses Baby Fenster» oder «Lebenspforte»; ähnliches gilt für den Hinweis von Kliniken «Anonyme Geburt ist jederzeit möglich».

Zugleich kollidieren bei dieser Kontroverse, die in den vergangenen Jahren mehrfach aufkam, Grundrechte. Befürworter der Angebote verweisen auf das Recht auf Leben, das erst Voraussetzung zur Wahrnehmung weiterer Grundrechte sei. Gegner auf das Grundrecht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung. Das Bundesverfassungs- gericht, so Riedel, habe seit 1989 dieses Grundrecht «Schritt für Schritt verfestigt». Sie befürchtet, dass es in wenigen Jahrzehnten in Deutschland eine Klagewelle von Kindern gibt, die sich um ihre familiäre Identität, ihre Herkunft betrogen fühlen.

Bemerkenswert ist die Liste der Sachverständigen, die im Ethikrat Rede und Antwort stehen. Als Anbieter kommen allein zwei Vertreterinnen des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) zu Wort.  Der Verband ist - innerkirchlich nicht unumstritten - mit Einrichtungen in rund 20 Ortsvereinen der größte Anbieter bundesweit. Gleichwohl nicht der prominenteste: Eine Google-Suche zeigt für «SkF» und «Babyklappe» 837 Treffer, für «Sternipark» und «Babyklappe» 1540. Die Hamburger Einrichtung wirbt offensiver, es gab auch schon mal eine Personality-Geschichte samt Prominenten in Illustrierten. Beim Ethikrat heißt es, der SkF unterhalte die meisten Einrichtungen und sei ein seriöser Anbieter.

Doch selbst der SkF hatte schon Probleme. Die Vertreterinnen aus dem Rheinland treffen am Berliner Gendarmenmarkt auf einen alten Bekannten. Denn der Kölner Staatsanwalt Stephan Neuheuser brachte Monika Kleine, Geschäftsführerin des SKF in Köln, 2001 schon wegen des Verdachts der Personenstandsfälschung und Unterhaltspflichtverletzung vor das Landgericht Köln. Von Kritikern der Babyklappen und anonymen Geburten wurde das damalige Vorgehen begrüßt. Niemand wisse, warum eine Frau ein Kind abgebe, ob der Kindsvater von diesem Schritt überhaupt wisse, dem zustimme oder auch entsprechenden Druck ausübe.

Der Ethikrat hört auch die Bonner Psychiaterin Anke Rohde, die sich wie kaum sonst jemand mit der psychologischen Bewertung des Themas befasst. Sie ist überzeugt, dass anonyme Geburten und Babyklappen zu einer «Produktion» von Findelkindern ohne Wurzeln führen. Die Absicht, durch Babyklappen Abtreibungen verhindern zu wollen, nannte sie bei einer Veranstaltung Anfang des Jahres weltfremd.

Dazu passt, dass trotz der in den vergangenen Jahren gestiegenen Zahl der Einrichtungen, von denen nicht wenige, gerade in Bayern, in kirchlicher Trägerschaft sind, ein Rückgang der Zahl toter Neugeborener nicht nachweisbar scheint. Trotz diverser Angebote, so Riedel, sei in den vergangenen Jahren die Zahl der ausgesetzten Kinder in Deutschland nicht gesunken, sondern sogar noch gestiegen.  Freilich lässt sich auch das von Befürwortern wieder bezweifeln, die auf eine gestiegene Medienaufmerksamkeit für das Thema verweisen.

Bei einer ersten internen Aussprache des Ethikrats im Juni dominierte Nachdenklichkeit und vorsichtiges Abwägen. Aber eine Bemerkung des Augsburger Weihbischof Anton Losinger - unter Verweis auf die innerkirchliche Diskussion in Bayern - machte deutlich, welche Brisanz hinter dem Thema steckt: «Selbst beim Reden unter Gutmenschen wird einem Gutmenschen das Gutmenschentum abgesprochen, wenn er gegen die Babyklappe ist.»