Bischof Bätzing zeigt Verständnis für Unmut von Frauen

"Der Kipp-Punkt ist erreicht"

Sie ist die einzige Kirche im deutschsprachigen Raum, deren Bau Frauen alleine initiierten und finanzierten: Die Frauenfriedenskirche in Frankfurt. Bischof Bätzing machte sich bei ihrer Wiedereröffnung für Frauen stark.

Autor/in:
Norbert Demuth
Bischof Bätzing (r., Archiv) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Bätzing (r., Archiv) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Für die katholische Kirche in Deutschland gibt es mehrere Reformvorschläge. Doch was ist das drängendste Problem? Der Limburger Bischof Georg Bätzing betonte im Mai 2020, zwei Monate nach seinem Amtsantritt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, er halte die Frauenfrage "persönlich für die allerwichtigste".

Am Sonntag unterstrich er bei einer Predigt in der nach dreijähriger Sanierung wiedereröffneten Frauenfriedenskirche in Frankfurt, dass nur eine von Frauen "getragene" und "belebte" Kirche überhaupt Zukunft habe. Und dass er die Wut katholischer Frauen gut verstehe, denen Reformen zu langsam vorangingen - Bätzing hält bekanntlich etwa das Diakonat der Frau für "sehr legitim".

"Für nicht wenige Frauen in der Kirche ist mittlerweile der Kipp-Punkt erreicht", sagte Bätzing nun in seiner Predigt. "Sie verbünden sich. Und ich sage: Gut so, denn die Alternative wäre nicht, zu schweigen, sondern wegzugehen, wie es viel zu viele Frauen bereits getan haben."

Es gibt Alternativen zum Kirchenaustritt

Was ist also die Alternative zu einem frustrierten Kirchenaustritt? Hier zitierte Bätzing einen Beitrag aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) mit der Überschrift: "Frauen sollten ihren Zorn häufiger als Antrieb nutzen." Der Artikel bezieht sich auf das Buch "Speak out! - Die Kraft weiblicher Wut" der US-amerikanischen Journalistin Soraya Chemaly. Die feministische Autorin mit katholischen Wurzeln beschreibe, so Bätzing, dass es vielen Frauen schwerfalle, die eigene Wut zu äußern, weil sie ihnen von klein auf aberzogen worden sei. In Erwartung negativer Reaktionen schluckten viele Frauen ihre Wut hinunter.

Bätzing sagte dazu: "Nicht allein die Zurückhaltung und das stille Ertragen bringen Veränderung." Aktuell sei dies an einigen Beispielen zu erleben. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko habe die Männer der Opposition gefürchtet und sie vor der "gefälschten Wahl" einsperren lassen. "Aber er hatte nicht mit den Frauen gerechnet, die nun ihren Protest durchtragen."

Der Bischof zitierte auch den Ausruf der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg "How dare you!" (Wie könnt ihr es wagen!), den sie im September 2019 beim UN-Klimagipfel in New York den Politikern entgegenschleuderte. Gretas Zorn zeige in der Klimabewegung offenbar Wirkung, so Bätzing.

Erinnerung an heilige Frauen der Kirchengeschichte

Dann verwies der Bischof auf drei heilige Frauen aus der Kirchengeschichte, die ebenfalls unbequem gewesen seien: Hildegard von Bingen sei "gewiss die bekannteste Frau Europas im 12. Jahrhundert" gewesen. "Posaune Gottes" habe man sie genannt, diese Gelehrte, Heilkundige und Äbtissin, die 2012 zur Kirchenlehrerin erhoben wurde. Ihr habe es "an deutlichen Worten nie gemangelt".

Zudem nannte Bätzing die "Impulsgeberin" und "begnadete Lehrerin" Lioba von Tauberbischofsheim, eine angelsächsische Missionarin des 8. Jahrhunderts. Und Katharina Kasper (1820-1898), Lehrerin, Erzieherin und aus dem Westerwald stammende Ordensgründerin der Dernbacher Schwestern. "Eine Frau mit Vision", die damals "dem Bischof und staatlichen Oberen auf die Nerven ging, bis sie bekam, was sie für nötig hielt".

Reliquien dieser drei heiligen Frauen befinden sich in dem von Bätzing geweihten neuen Altar der Frauenfriedenskirche. Diese zwischen 1927 und 1929 errichtete katholische Kirche gilt als zentrale Gedächtniskirche für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs und als Mahnmal für den Frieden. "Sie ist die einzige Kirche im deutschsprachigen Raum, deren Bau ausschließlich Frauen initiierten und finanzierten", so Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD).

Für Bätzing weist die Geschichte des Kirchengebäudes auf die Bedeutung der Frauen im kirchlichen Leben generell hin: "Von Frauen gestiftet, von Frauen getragen, von Frauen bezeugt, von Frauen errungen und belebt - so ist Kirche. Und nur so wird sie Zukunft haben." Die heutigen Antworten auf die Forderungen von Frauen seien "entscheidend dafür, ob es in unserer kulturellen und gesellschaftlichen Situation mit dem Glauben an den Gott der Liebe und seinen rettenden Sohn und seine vitale Geistkraft weitergeht", sagte Bätzing und fügte hinzu: "Oder ob dieses Jahrtausende alte Bekenntnis weiter ins Stocken gerät."

Georg Bätzing

Georg Bätzing wurde am 13. April 1961 in Kirchen (Sieg) geboren. Er studierte Philosophie und Theologie an der Universität Trier und der Universität Freiburg.

1987 wurde er in Trier zum Priester geweiht. Von 1996 bis 2010 war er als Leiter des Priesterseminars für die Priesterausbildung im Bistum Trier verantwortlich. Bereits 2007 übernahm er die Leitung der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier. Ab November 2012 war Bätzing Generalvikar des Bistums Trier.

Bischof Georg Bätzing / © Bert Bostelmann (KNA)
Bischof Georg Bätzing / © Bert Bostelmann ( KNA )
Quelle:
KNA