Der Münchner Ordensmann Christophorus Goedereis OFMCap sieht in der Corona-Pandemie auch eine Chance zum Lernen. "Wir fliegen nicht mehr, und siehe - es geht. Die Familien rücken zusammen. Welchen Nutzen ziehen wir daraus?", fragte der Kapuziner im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag).
Man dürfe die Pandemie in diesem Sinne "für mich zu einem spirituellen Ereignis machen", das sei "ein kleiner, feiner Unterschied zu der These, dass Gott die Pandemie direkt gesandt hätte". Corona sei "genauso wenig eine Strafe Gottes wie Aids", betonte der
Ordensmann. Natürlich gebe es "immer Leute, die mit solchen Geschichten daherkommen". Aber Gott plage die Menschen nicht durch irgendwelche Strafen; "er hat die Menschheit in die Freiheit entlassen".
Der Mensche brauche "klare Maßnahmen"
Ob die Menschen die Pandemie zu einer "Umkehr" nutzen, bezweifelte Goedereis. "Wenn es uns gelingt, das Virus zu überwinden, befürchte ich, dass die Menschheit ein halbes Jahr später zu ihrer alten Lebensweise zurückkehrt", sagte er. Der Mensch bleibe "ein Wesen mit Haken und Ösen. Und weil das so ist, braucht er im Augenblick klare Maßnahmen."
Der Pater lobte die Maßnahmen der Deutschen Bischofskonferenz, Gottesdienste und Weihwasser derzeit zu untersagen. "Wir haben es mit einem Virus zu tun, das sich dort verbreitet, wo Menschen zusammenkommen." Daher müsse man derzeit auf Zusammenkünfte
verzichten und Teilhabe anders gestalten. "Wir leben doch derzeit in einem Paradox: Wir müssen unsere Nähe durch Distanz zeigen", so Goedereis.
Menschliche Nähe und Coronavirus nicht gegeneinander ausspielen
Natürlich bleibe "die Eucharistiefeier die höchste Form der liturgischen Feier", und natürlich gehöre sie zur Grundversorgung, wie Kritiker der Maßnahmen betonen. Doch derzeit sei das einfach kontraproduktiv. Die Kirchen seien jedoch offen und könnten für das Gebet genutzt werden. Der Kapuziner verwies auf viele spontane Initiativen, um den Kontakt zu den Gemeindemitgliedern nicht zu verlieren. Seine Frankfurter Ordensbrüder etwa wollten "in den nächsten Wochen gezielt Menschen anrufen, fragen, wie es ihnen geht".
Eine "Sehnsucht nach Durchgreifen" des Staates sieht Goedereis nicht. Er habe "nicht das Gefühl, dass wir uns zu einem Polizeistaat entwickeln". Die Kanzlerin habe dazu "das Notwendige gesagt". Ohnehin warnte er davor, "menschliche Nähe und das Virus gegeneinander auszuspielen. Überhöhungen führen hier nicht weiter", so der Ordensmann. Der Dienst am Menschen könne "manchmal auch ein 'Lassen' sein". In Bergamo seien schon viele Priester gestorben, weil sie den Menschen "zu nahe gekommen" seien.