Wasser frei! Aus dicken Schläuchen schießt das Nass über Tausende von Menschen. Junge Männer in brokatfarben Gewändern stehen auf Holzpodesten, schwenken den Strahl von rechts nach links. Kinder, Frauen und Männer recken sich ihnen entgegen. Es ist Timkat - das Fest der Taufe Jesu in Äthiopien. Das Wasser wird aus einem tennisplatzgroßen Becken in der Hauptstadt Addis Abeba gepumpt.
Timkat – Fest der Taufe Jesu
Dahinter steht eine überlebensgroße Plastik, die die Taufszene Jesu zeigt. Mehrere Stunden lang umziehen es Würdenträger der orthodoxen Kirche Äthiopiens. Sie singen Evangelien und Hymnen im Wechsel, segnen das Wasser. Das äthiopische Fernsehen überträgt live. Junge Ehepaare in Weiß kommen, bekreuzigen sich mit dem Wasser. Sie beten um reichen Kindersegen.
Zwar können die Menschen in Deutschland nicht Timkat erleben, aber dem 1.600 Jahre alten äthiopischen Christentum auch auf sehr persönliche Weise begegnen. Das Internationale Katholische Missionswerk missio hat 15 Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien der katholischen Kirche aus Äthiopien zum Monat und Sonntag der Weltmission eingeladen. Sie sind vom 16. September bis 28. Oktober zwischen Flensburg und München auf rund 250 Veranstaltungen zu Gast, um über ihre Arbeit zu berichten und der Kirche in Deutschland zu begegnen. Die Kampagne zum Weltmissionssonntag wird im Bistum Erfurt eröffnet.
Geprägt von der Orthodoxie
Äthiopien - die Kirche kam hier nicht wie in anderen Teilen Afrikas mit den Kolonialherren. Darauf sind die rund 100 Millionen Äthiopier stolz. Geprägt hat es die Orthodoxie; mitten in Afrika ist der orientalische Einfluss gegenwärtig. Dagegen ist die katholische Kirche in Äthiopien mit etwas mehr als 700.000 Gläubigen eine kreative, sozial engagierte Minderheit: Sie betreibt rund 400 Kindergärten und Schulen, eine Universität und 90 Gesundheitszentren.
Eine besondere Herausforderung für das Land sind rund 900.000 Flüchtlinge, größtenteils aus dem Südsudan, Eritrea und Somalia. Sie haben in Äthiopien Zuflucht gefunden. Priester, Ordensleute und qualifizierte Laien helfen den Entwurzelten und geben ihnen eine neue Heimat.
Äthiopien hat 400.000 Flüchtlinge aufgenommen
Wie Tesfaye Petros, Priester im südwestäthiopischen Gambella an der Grenze zum Südsudan. Rund 400.000 Flüchtlinge aus dem bürgerkriegsgeschütteltem Nachbarland hat Äthiopien aufgenommen. Die meisten sind Christen. Sie leben in rund zehn Flüchtlingslagern in der Region. Was sie neben materieller Hilfe am meisten brauchen: ihren gewohnten kirchlichen Alltag, psychologische Betreuung und für die Kinder Schulunterricht und Katechese. Tesfaye Petros und sein Team geben ihnen diesen Halt.
Flüchtlingslager Jewi, Gambella, etwa 60.000 Flüchtlinge leben hier. In einer großen provisorisch aus langen, dünnen Baumstangen und Plastikplane aufgebauten Halle. Rund 600 Flüchtlinge singen und beten. Eine Frau im grünen Kleid umklammert ein Holzkreuz. Sie geht auf Tesfaye Petros zu. Beschwört ihn. Die Christen hier im Flüchtlingslager brauchen eine feste Kirche, das Provisorium reicht nicht mehr. Das weiß auch Tesfaye Petros - und deshalb wird er mit Unterstützung von missio hier zwei feste Kirchen bauen. Die Frau, die das Holzkreuz fest mit beiden Händen hält, lächelt. Die Nachricht gibt neue Perspektive.
Kirche als Vermittler
Perspektive brauchen auch die Menjas. Das ist ein kleines Waldvolk in der äthiopischen Kaffeeregion Jimma Bonga. Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat mit rund 80 Ethnien. Das führt immer wieder zu Konflikten, in denen die Kirche vermittelt. Die Menjas leiden schon seit Jahrhunderten unter Armut und sozialer Ausgrenzung - bis heute.
Das lässt die beiden Ordensfrauen Sr. Kidist Habtegiorgies und Sr. Askalemariam Karlo nicht ruhen. Sie kümmern sich um die Menjas. Sie sorgen für Schulunterricht, besuchen die Familien, bringen ihnen handwerkliches Wissen bei. missio unterstützt ein Frauenförderzentrum. Dort produzieren Frauen und Mädchen aus den ärmsten Familien der Menjas Strickjacken, Pullover oder Decken für den lokalen Markt.
Kaffeezeremonie mit Weihrauch
Sr. Kidist und Sr. Askalemariam begrüßen ihre Besucher auf der Missionsstation in Wush-Wush mit Kaffee. Das ist typisch für Äthiopien. Kein "Coffee to go", sondern hier gibt es "Coffee to stay". Die Kaffeezeremonie ist im Kaffeeland Äthiopien eines der wichtigsten alltäglichen Ereignisse. Hier treffen sich Nachbarn und Familien, rösten den Kaffee, genießen den frischen Duft, lassen dazu Weihrauch aufsteigen und gießen dreimal eine kleine Tasse auf. Dabei werden selbstverständlich auch Neuigkeiten ausgetauscht, wichtiger:
Wenn es zwischenmenschliche Probleme gibt, wenn die Gemeinschaft Aufgaben besprechen muss, wenn es Streit gibt - alles das wird bei der Kaffeezeremonie beredet und eine Lösung gefunden. "Coffee to stay" - das ist eine der Gemeindeaktionen von missio, mit denen die Menschen in Deutschland zur Kampagne zur Weltmission der Kirche aus Äthiopien begegnen können. Um mit dem Geist und Lebendigkeit der Kirche Äthiopiens angesteckt zu werden, braucht es nicht unbedingt Timkat und Taufwasser aus Feuerwehrschläuchen.