Der Mord an Michael Brown jährt sich zum zehnten Mal

Rassismus und Polizeigewalt in den USA

Vor zehn Jahren erschoss ein Polizist Michael Brown. Einer von vielen unbewaffnete Schwarzen, die in den USA von Polizisten getötet werden. Seine Mutter kämpft noch heute dafür, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird.

Autor/in:
Konrad Ege
Demonstranten nehmen an einer Friedenskundgebung in den USA teil, nachdem ein Schwarzer durch einen Polizisten getötet wurde.  / © Andrew Dolph (dpa)
Demonstranten nehmen an einer Friedenskundgebung in den USA teil, nachdem ein Schwarzer durch einen Polizisten getötet wurde. / © Andrew Dolph ( dpa )

Die Tat sorgte für Empörung und Entsetzen. Vor zehn Jahren erschoss ein weißer Polizist in Ferguson in Missouri den 18-jährigen Afroamerikaner Michael Brown. Der junge Mann war unbewaffnet. Die Polizei rückte danach mit Panzerwagen, Hubschraubern und Tränengas gegen Demonstrierende vor. 

Es war die Anfangszeit der "Black Lives Matter"-Bewegung gegen Polizeigewalt und Rassismus, und sie nahm dadurch weiter Fahrt auf. Hoffnungen auf eine Reform der Polizei haben sich indes nur sehr begrenzt erfüllt.

Zwölf Schüsse 

Der Vorfall am 9. August 2014 trug sich im rund 18.000 Einwohner zählenden Ferguson im US-Staat Missouri zu. Dort ist die Bevölkerung mehrheitlich schwarz, die Polizei war zu jener Zeit fast ausschließlich weiß. Details der Todesschüsse sind umstritten; Zeugen widersprechen einander. 

Polizeifahrzeuge aus Illinois drängen sich auf der Central Avenue / © Chris Riha/ZUMA Press Wire (dpa)
Polizeifahrzeuge aus Illinois drängen sich auf der Central Avenue / © Chris Riha/ZUMA Press Wire ( dpa )

Außer Frage steht, fasste das US-Justizministerium zusammen: Der Polizist Darren Wilson feuerte zwölf Schüsse auf Brown. Der junge Mann und ein Freund waren auf der Straße Canfield Drive zu Fuß unterwegs, nicht auf dem Gehsteig, wie Wilson verlangte.

Am helllichten Nachmittag 

Wilson verdächtigte Brown in einem Interview mit dem ABC-Fernsehen, er habe im "Ferguson Market and Liquor"-Laden mehrere Packungen Zigarillos gestohlen. Bei der ersten Konfrontation zwischen Wilson und Brown kam es zu einem Handgemenge durch das offene Fenster des Polizeiwagens. Brown rannte weg. Wilson hinterher. Brown machte angeblich kehrt. Wilson schoss. Ein Kopfschuss war wohl tödlich.

Im Dokumentarfilm "Whose Streets?" (2017) zeigt Filmemacherin Sabaah Folayan den Canfield Drive nach den Schüssen. Die schwarzen Anwohnerinnen und Anwohner sind offenbar schockiert. Am helllichten Nachmittag habe ein Polizist einen Mann zu Tode geschossen. Ein Augenzeuge sagt: "Die Polizei von Ferguson hat gerade vor meinem Apartment einen Mann getötet. Er war unbewaffnet. Er hatte seine Arme hochgestreckt."

Mahnwache und Plünderungen

"Whose Streets?" zeigt auch Michael Browns Mutter Lesley McSpadden. Man habe ihr vor Ort nichts gesagt, teilt sie mit. Sie habe ihren Sohn nicht einmal identifizieren dürfen. Dass Michael der Tote war, konnte sie nur mithilfe eines Fotos auf dem Handy eines Anwesenden sehen. Man habe die Leiche Stunden auf dem Asphalt liegen lassen.

Am Tag danach kam es nach einer Mahnwache zu Plünderungen. Die Proteste hielten mehrere Tage lang an. Ferguson erklärte den Ausnahmezustand. Es wurde nie Anklage gegen Wilson erhoben. Auch das Justizministerium der Regierung von Barack Obama rechtfertigte diese Haltung. Man könne Wilson keine "kriminelle Absicht" nachweisen und der Fall solle "geschlossen werden", befand das Ministerium.

Polizei zur Rechtschaffenheit ziehen 

Lesley McSpadden verlangt noch heute, dass die Polizei zur Rechtschaffenheit gezogen wird. Im Juli legte sie Zeugnis vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ab, einem Ausschuss der Organisation Amerikanischer Staaten. Der Bericht des Justizministeriums habe "viele Löcher, genauso wie Mikes Körper", sagte sie. Sie habe "tonnenweise" Drohbriefe bekommen und sei noch heute in Therapie.

Juraprofessor Justin Hansford, der zur Tatzeit selbst in Missouri gewohnt und mitdemonstriert hat, leitet das Bürgerrechtsinstitut "Thurgood Marshall Civil Rights Center" an der Howard University in Washington, benannt nach dem ersten schwarzen Richter im Obersten Gericht. Schon mehrmals hätten Afro-Amerikaner die Vereinten Nationen und andere internationale Gremien angerufen, sagte Hansford dem Evangelischen Pressedienst (epd), darunter Malcolm X und der Sänger und Aktivist Paul Robeson.

Zahlen steigen weiter

Michael Brown war einer von vielen Schwarzen, die von Polizisten ums Leben gebracht worden sind. Weltweit schockierte der gewaltsame Tod von George Floyd 2020 in Minneapolis im US-Staat Minnesota. Und die Zahl der Polizeitötungen geht nicht zurück: 2023 sind laut einer Datensammlung der Zeitung "Washington Post" 1.161 Menschen von Polizisten erschossen worden. Das seien mehr dokumentierte Fälle als jemals zuvor. Überproportional oft seien die Opfer schwarz, jung und männlich.

Forderungen nach Polizeireformen hätten sich aber nie ganz durchsetzen können, bedauert Hansford. Hartes Vorgehen gegen Verbrechen ist ein Lieblingsthema des republikanischen Präsidentschaftsanwärters Donald Trump, obwohl Gewaltverbrechen laut Ermittlungsbehörde FBI in letzter Zeit zurückgegangen sind.

Reparationen für Unrecht 

Es sei schwierig zu sagen, "wie wir jetzt weiter machen", sagte Hansford. Die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre habe ein Bürgerrechts- und Wahlrechtsgesetz durchgesetzt. Bei der Bewegung gegen Polizeigewalt sei das Erreichte nicht so eindeutig. 

Kamala Harris spricht während einer Wahlkampfveranstaltung / © John Bazemore/AP (dpa)
Kamala Harris spricht während einer Wahlkampfveranstaltung / © John Bazemore/AP ( dpa )

Aber die zahlenmäßig stärksten Kundgebungen der amerikanischen Geschichte hätten die politische Atmosphäre verändert. Das habe wohl Präsident Joe Biden 2020 mit dazu bewegt, eine schwarze Frau zur Vizepräsidentin zu ernennen. Und heute werde vielerorts über Reparationen für das Unrecht der Sklaverei gesprochen.

Quelle:
epd