Eines vorweg. Ich bin absolut nicht das Zielpublikum für einen Barbie-Film. Ich bin ein 34-jähriger Mann. Ich habe weder mit Puppen gespielt, noch habe ich ein einziges pinkes Kleidungsstück im Schrank. Als ich zuerst davon gehört habe, dass es einen Film über die Barbie-Puppe geben soll, dachte ich: "Was interessiert mich das denn?" Nun spricht man davon, dass der Film zum Kinofilm des Jahres werden könnte. Die Umsätze werden drei Mal so hoch erwartet, wie noch vor Wochen prognostiziert. Der Barbie-Film ist ein gesellschaftliches Event wie lange kein Film mehr. Ich gehe sogar noch ein Stück weiter. Ich finde: Den Barbie-Film zu schauen kann zu einer zutiefst katholischen Erfahrung werden.
Was sieht man, wenn man für den Barbie-Film ins Kino geht? Pink. Viel pink, vor allem in der ersten halben Stunde. Es ist schon beeindruckend, wie die Bühnen- und Kostümbildner die Welt der Puppen mit ihren Häusern und Autos in den verschiedensten Rosatönen auf die Leinwand bringen. Überraschender aber noch ist die Geschichte, die die bekennend feministische Regisseurin Greta Gerwig erzählt: In der Barbie-Welt haben die Frauen das Sagen. Sie sind Präsidentin, Ärztin, Richterin. Barbies Freund Ken hat eigentlich nichts zu melden oder zu denken, was nicht mit Barbie zu tun hat. So geht es Tag für Tag, bis diese perfekte Fassade für Barbie zu bröckeln beginnt.
Das katholische Barbie-Erlebnis
Ohne ersichtlichen Grund wird Barbie (Margot Robbie) in die reale Welt geschmissen und muss damit klarkommen, dass alle ihre Überzeugungen und Erfahrungen auf den Kopf gestellt werden. Hier haben die Frauen nicht das Sagen. Die Welt ist nicht so bunt, hell und perfekt, wie Barbie das eigentlich immer kannte. Und hier liegt die Parallele zur katholischen Kirche im 21. Jahrhundert auf der Hand.
Auch viele gläubige Katholiken hatten fast ihr ganzes Leben lang ein felsenfestes Glaubens- und Weltkonzept, an dem niemand gerüttelt hat: Der Papst und die Bischöfe haben die Macht und wollen uns im Glauben stärken. Wir gehen sonntags zur Messe und alles ist gut. Gerade aber in den letzten Jahren ist von diesem Weltbild für die meisten Katholiken nicht mehr viel geblieben. Drei Viertel der Kirchenmitglieder in Deutschland denkt über einen Austritt nach. In den Nachrichten gibt es so gut wie nie noch Positives über die Kirche zu hören. Die katholische Welt besteht in den Schlagzeilen fast nur noch aus Missbrauch, Skandalen und Prozessen.
Wenn Barbie sich unter Schmerzen von ihrem unkritischen kindlichen Glauben an die scheinbar perfekte Welt verabschieden muss, können sicher auch viele Katholiken diesen Schmerz nachvollziehen.
Gleichberechtigung für die Puppen und die Kirche
Eine große Rolle spielt dabei im Film die Frage der Gleichberechtigung. Wenn Barbie feststellt, dass es in der realen Welt nicht die Frauen sind, die die Macht in Politik und Gesellschaft haben, sondern die Männer, stellt auch das viele drängende Fragen an die katholische Kirche.
Das Streben nach Geschlechtergerechtigkeit sei in der Kirche mindestens genauso wichtig wie im Film, erklärt die stellvertretene Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) Prof. Agnes Wuckelt gegenüber DOMRADIO.DE: "Die Kirche ist von der Umsetzung dieses Themas noch weit entfernt. Sie kann ruhig in den Spiegel schauen, den der Barbie-Film als Gesellschaftssatire vorhält. Und wer weiß, vielleicht bringt Mattel demnächst eine Barbie als Bischöfin heraus. Das wäre im Sinne von Gleichberechtigung für uns als kfd wirklich unterstützend."
Konsumkritik - nicht nur im Film
Ist Barbie deshalb ein modernes Meisterwerk des feministischen Kinos? Es gibt nicht nur Lob für den Film. Trotz des wirklich erfrischend cleveren und humorvollen Drehbuches, geht es am Ende immer noch um ein althergebrachtes Schönheitsideal, auch wenn die Barbie-Puppen heute um einiges diverser daherkommen als früher. Im Film wird an einer Stelle sogar mit einem Augenzwinkern erwähnt, dass die blonde, traditionell hübsche Hauptdarstellerin Margot Robbie nicht unbedingt hilfreich sei, dieses Klischee zu überwinden.
Das reiche aber nicht aus, sagt der Theologe Fabian Apel, der den katholischen "Popcornpilger Podcast“ betreibt: "Problematische Inhalte wie Konsumverhalten, toxisches Körperbild und antiquierte Geschlechterbilder werden hinter dem 'Feigenblatt' der Diversität versteckt. Darunter verbergen sich die schön verpackten alten Zöpfe der Frau, die letztlich doch nur und vor allem rein optisch gefallen möchte."
Barbie ist und bleibt ein Produkt
Dieses Argument lässt sich auch nicht ganz aus der Welt räumen, denn trotz der feministischen Botschaft, der Gesellschafts- und Konsumkritik und dem augenzwinkernden Umgang mit den eigenen Unzulänglichkeiten bleibt der Film ein Produkt, das von der Barbie-Firma Mattel co-produziert wurde und natürlich in erster Linie zum Ziel hat, sich selbst und die Marke der bekanntesten blonden Puppe der Welt zu verkaufen.
Am Ende bleibt der Barbie-Film aber trotzdem ein erfrischend ungewöhnlicher Ausflug ins Kino – und das nicht nur wegen der ungewohnt vielen Pink- und Rosatöne auf der Leinwand. Der Höhepunkt des Films ist ein Gespräch zwischen den beiden Puppen Barbie und Ken, die sich über Rechte für Männer und Frauen, Selbstwert und Beziehungen unterhalten, abseits von jeglichen Stereotypen. Ein Gespräch mit Erkenntnissen. Keine Liebesgeschichte, keine Verfolgungsjagd, keine computeranimierten Explosionen. Für einen Blockbuster im Jahr 2023 etwas ganz Neues.