DOMRADIO.DE: Die Barbie-Puppe stand früher für ein ganz bestimmtes Schönheitsideal. Blaue Augen, blond, sehr dünn. Jetzt versucht die Firma Mattel diese Klischees aufzubrechen. Wie finden Sie das?
Pfarrer Jürgen Schwartz (Evangelischer Pfarrer in Vechta): Erst mal finde ich das sehr gut. Ruth Handler hat Barbie Ende der 50er-Jahre erfunden und weiterentwickelt. Sie war von den USA nach Deutschland gekommen und hatte dort die deutsche Handpuppe Lilli gesehen, die sie in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter Barbara weiterentwickelt hat. Damals gab es schon viele Puppen der verschiedensten Art. Barbie war etwas Neues, weil sie nicht mehr an den Haushalt gebunden war.
Im Laufe der Zeit haben sich aber die Schönheitsvorstellungen ein bisschen verändert. Es ist mehr Geld gemacht worden, sodass dann so eine Stereotype herausgekommen ist.
Alles in allem hat Barbie sich im Laufe der letzten 60 Jahre ziemlich verändert und die Firma ist größer geworden. Wenn jetzt Menschen mit Behinderung stärker in den Blick kommen, dann finde ich das eine ziemlich gute Sache.
DOMRADIO.DE: Die neue Barbie-Puppe hat Trisomie 21 und soll ein Zeichen gegen Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung sein. Lange Zeit war die Barbie-Puppe ein Sinnbild für Stigmatisierung. Ist die Aktion dann überhaupt glaubwürdig?
Schwartz: Puppen sind in erster Linie Spielfiguren für Kinder, insbesondere für Mädchen. Mein Patenkind ist ein Mädchen und nunmehr eine junge Frau von 22 Jahren, die sehr selbstbewusst und eigenständig ist. Trotzdem hat sie ihre Barbie-Puppen nicht weggeschmissen. Sie guckt auch immer noch gerne Barbie-Filme. Es ist so eine Art Gegenwelt.
Wenn ich in der Berufsschule mit jungen Erwachsenen zusammen bin, die so im Alter zwischen 17 und 25 Jahren sind, erzählen die auch immer wieder, dass Spielzeug sehr prägend sein kann. Diese Figuren bewegen zu können und mit ihnen Alltagssituationen nachzuspielen, ist gut.
Vielleicht noch ein Zweites: Die Barbie-Puppe ist von Mattel in Zusammenarbeit mit der Down-Syndrom-Gesellschaft in den USA entwickelt worden. Die Farben, die für das Kleid gewählt worden sind, haben zum Beispiel für die Menschen in den USA eine besondere Bedeutung.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch ein christliches Schönheitsideal? Adam und Eva waren bestimmt nicht blond und weiß, oder?
Schwartz: Nein, aber es steht in der Schöpfungsgeschichte: "Es war gut" oder "Es war sehr gut". Im Hebräischen steht dort "tov". Das kann man mit "gut" übersetzen. Das hat aber auch die Wortbedeutung "schön".
Bei uns hat sich beim Übersetzen die Bedeutung "gut" etabliert. Das hat meistens eine ethische Dimension. Aber wenn wir uns vorstellen, dass die Schöpfungsgeschichte "Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde" am sechsten Tag mit "Es war sehr schön" endet, dann wird damit eine andere Assoziationskette und ein anderes Kopfkino ausgelöst.
Für mich selber ist Psalm 139 der schönste. Da heißt es: "Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke." Da taucht ein tolles christliches Menschenbild auf: Jeder und jede von uns, so wie wir sind, von Gott gewollt und angenommen sind; in unseren unterschiedlichen Größen, in den Hautfarben, in den Geschlechtern, in den Fähigkeiten und Begabungen. Jeder und jede von uns ist in besonderer Weise angenommen.
Das gehört für mich auf menschlicher Seite zur Schönheit. Und auch Gott ist schön. In den biblischen Ursprachen taucht das Wort "doxa" auf, was wir mit Ehre übersetzen. Das kann man aber auch mit Schönheit übersetzen.
Wenn jemand einfach glücklich ist, dann schauen wir in ein schönes Gesicht, unabhängig davon, wie viel Falten da sind oder wie vernarbt es ist oder wie viel Tränen geflossen sind. Menschen, die mit sich selber im Reinen und im Einklang sind, finde ich, sind schön.
Das Interview führt Elena Hong.