Papst Franziskus bleibt seinem Motto, die Kirche müsse zu den Rändern der Gesellschaft gehen, treu. Seine erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Epidemie wird ihn vom 5. bis 8. März in den Irak führen, wo sich wie unter einem Brennglas religiöse, politische und ethnische Konflikte zeigen. Weder die Corona-Pandemie noch Anschläge der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) brachten das Kirchenoberhaupt von seinen Reiseplänen ab.
"Der Papst kommt für alle", betonte Kardinal Louis Sako im Gespräch mit dem franziskanischen Christian Media Center in Jerusalem. Für das Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche im Irak gilt der Besuch den Menschen in der gesamten Region. Und er betont, dass Franziskus als erster Papst am Samstag eine Messe in der chaldäischen Kathedrale von Bagdad nach östlichem Ritus zelebriert "und damit die ganze Kirche einbezieht".
Messe im Stadion von Erbil
Wenige Wochen vor der geplanten Reise wurden zwar wegen der Corona-Lage die religiösen Stätten des Landes geschlossen. Auf dem Programm steht am vorletzten Tag seines Besuchs trotzdem auch eine Messe mit 10.000 Menschen im Stadion von Erbil, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Norden des Landes, die erst jüngst von einem Anschlag erschüttert wurde.
Der Besuch beginnt am Freitag unter anderem mit einem Treffen mit Regierungsvertretern, danach will Franziskus im Präsidentenpalast in Bagdad eine Rede vor Diplomaten und Vertretern der Zivilgesellschaft halten. In Nadschaf, einer der sieben heiligen Städte des schiitischen Islam, wird er am zweiten Tag der Reise die höchste Autorität der irakischen Schiiten, Großayatollah Ali Al-Sistani, treffen. Schiiten stellen die Mehrheit der Iraker. Unter dem Langzeit-Diktator Saddam Hussein litten sie ebenso wie Christen, Juden und Jesiden bis 2003 an der Unterdrückung durch die sunnitische Minderheit.
Interreligiöses Treffen
Gemeinsam mit Juden, Christen, Muslimen und Jesiden wird der Papst an einem interreligiösen Treffen in Ur teilnehmen, an dem Ort, an dem der biblischen Überlieferung zufolge Abraham geboren ist. Am Abend will Franziskus die Messe in der chaldäischen Kathedrale von Bagdad feiern. Bei einem Besuch in Erbil und Mossul in der Kurdenregion steht am Sonntag ein Gebet für die Opfer des Krieges auf dem Programm. In Karakosch in der Ninive-Ebene, der einst größten christlichen Stadt des Irak, dürfte das Kirchenoberhaupt an die Gräuel und Zerstörungen der IS-Herrschaft erinnern und die wenigen Gläubigen zum Bleiben ermutigen.
Im Dialog mit unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften wolle der Papst das Augenmerk auf den Irak als "zerbrochenes Land" lenken, in dem alle litten, sagt Felix Körner. Der Islam-Experte der päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom betont, die Reise sei nicht nur ein Zeichen der Solidarität mit Christen sondern auch mit untereinander zerstrittenen Muslimen. Die Reise werde an den "verbrecherischen Krieg" der Allianz der Willigen erinnern, an dem nicht-muslimische Nationen ihre Mitverantwortung für die aktuelle Situation anerkennen müssten.
Christen auf der Flucht
Der ehemalige Vatikanbotschafter im Irak, Kardinal Fernando Filoni, erklärte in der französischen katholischen Tageszeitung "La Croix" den Irak-Krieg von 2003 als "Mutter aller Konflikte und Formen von Terrorismus, die darauf gefolgt sind". Der Ölreichtum des Landes sei Fluch und Segen zugleich. Er habe sich oft gefragt, was ohne die Erdölförderung aus dem Irak geworden wäre. "Wer wäre zum Sterben in die irakische Wüste gekommen, wenn es nicht all diese Bodenschätze gegeben hätte?"
Viele Iraker, die ins Ausland geflohen seien, würden nicht zurückkehren, meint der Ex-Nuntius. Doch für Menschen, die im Land selbst oder in Nachbarländern wie Jordanien und dem Libanon ausharrten, brauche es Frieden, Stabilität und Arbeit.
Nicht nur Christen sehnen sich nach einer Flucht. "Jesiden und Muslime möchten auch weg, denn sie sehen keine Zukunft im Land", berichtet der Jesuit Felix Schaich, der mehrere Monate für den Jesuit Refugee Service in der Jesiden-Stadt Sharya tätig war. Im Unterschied zu den in der Vergangenheit zur Bildungselite des Landes gehörigen Christen hätten Muslime und Jesiden aber keine Unterstützung durch ausländische Organisationen, die bei der Flucht helfen.