Als die Gläubigen am Anfang "Ehre sei Gott in der Höhe" singen, werden sie immer wieder vom Gezwitscher von Finken und Meisen aus den Bäumen übertönt. Das mag zwei Gründe haben.
Bei der Pfingstfeier am Sonntagabend auf dem Kirchplatz des Wallfahrtsortes Maria Vesperbild bei Ziemetshausen in Mittelschwaben tragen die Menschen nämlich Gesichtsmasken - die wohl den Schall dämpfen. Dazu kommt: Die Menge ist überschaubar. Vielleicht 50 Menschen haben sich draußen bei Sonnenschein und an die 20 Grad versammelt.
Weitere 100 sitzen im Pilger- und im Gotteshaus, unter ihnen der Günzburger Landrat Hans Reichhart (CSU). Reichhart hatte für das Fest in seinem Landkreis eigens eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Eigentlich sind in Bayern bei Freiluft-Gottesdiensten coronabedingt höchstens 50 Personen erlaubt - in Maria Vesperbild waren es nun bis zu 350. Reichhart sagte vor der Feier der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), er wolle einen "Gleichlauf".
In seinem Landkreis habe es in ähnlicher Größenordnung zuletzt diverse Demonstrationen für die Meinungsfreiheit gegeben. "Eine Demonstration des Glaubens soll dahinter nicht zurückstehen."
"Beten, das von Egoismus befreit ist"
Auch wenn der Gottesdienst mit 150 Besuchern nun wohl trotzdem das größte kirchliche Pfingstfest in Bayern war - die Ausnahmegenehmigung hätte es fast nicht gebraucht. Die Menschen seien derzeit bei Ansammlungen eben noch zögerlich, erklärt Wallfahrtsdirektor Erwin Reichart im Anschluss. "Dennoch war es eine ganz dichte Atmosphäre", so der Geistliche.
"Und besser so, als wenn wir Leute hätten wegschicken müssen." Die, die nun am Sonntagabend dabei sind, erleben hohen Besuch: Die Predigt hält der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. Er spricht von Pfingsten als Geburtsfest der Kirche und deren Mutter Maria. Maria habe Beten nicht als "Geplapper", sondern als Haltung der Sehnsucht und Hoffnung gelehrt, als "Sehkraft des Herzens, die wir Glauben nennen".
Dieses Beten ersuche nicht so sehr, eigene Wünsche zu erfüllen - sondern den Willen Gottes. Hanke ruft die Gläubigen auf zum "Beten, das von Egoismus befreit ist". Man solle nicht "dem Herrn das eigene Ego unterjubeln".
Tauben, Dohlen und eine Hornisse
Draußen auf dem Kirchplatz hören die Menschen aufmerksam zu. Dabei können sie immer wieder das Symbol des Heiligen Geistes sehen, der ja laut Bibel an Pfingsten auf die Erde herabgekommen ist - herumflatternden Tauben sei Dank. Auch Dohlen fliegen über die Messbesucher hinweg, sogar eine Hornisse saust umher.
Der Geist soll einst gestürmt haben - in Maria Vesperbild weht der Wind recht sachte. "Aber frisch ist's schon", sagt nach dem Gottesdienst Rita Mayrshofer aus Dillingen an der Donau. Sie komme jedes Jahr an Pfingsten nach Vesperbild, "ob Corona oder nicht". Ansteckungsgefahr? "Ich bin doch geschützt", meint sie und tippt auf ihre Mund-Nase-Maske.
Eine kleine "Demonstration des Glaubens"
Mit halb verhüllten Gesichtern machen sich die Gläubigen sodann noch auf zur traditionellen Lichterprozession. Mit Kerzen pilgern sie zur nahe gelegenen Mariengrotte und sprechen ein Gebet zur Muttergottes. Dann geht diese "Demonstration des Glaubens", von der der Landrat sprach, zu Ende.
Wie gesagt: mit wesentlich weniger Menschen als erlaubt. Der Wallfahrtsdirektor ist dennoch zufrieden. "Man erlebt selten eine so intensive und andächtige Gebetsgemeinschaft." Die sei übrigens besonders für Bertram Meier, den für Maria Vesperbild zuständigen neuen Bischof von Augsburg, gedacht, der ja kommenden Samstag geweiht werde.
Bischof Meier will nicht "Corona-Bischof" werden
Meier hatte der KNA vor der Vesperbilder Pfingstfeier mitgeteilt, er dulde die Veranstaltung. Zugleich danke er allen, die Opfer brächten, um ihre Gottesdienste und liturgischen Feiern innerhalb der geltenden Vorgaben abzuhalten. "Wir hoffen, dass es durch religiöse Versammlungen in unserem Bistum keinen Corona-Hotspot gibt, denn ich möchte nicht als 'Corona-Bischof' in die Augsburger Kirchengeschichte eingehen", so Meier.
Kühl ist es jetzt in Vesperbild, da das Pfingstfest vorbei und die Sonne verschwunden ist. Das Vogelgezwitscher ebenso. In der anfangs besungenen Höhe herrscht nun Stille.