Deutsche bei Verantwortung für jüdisches Volk gespalten

Jeder zweite findet Israels Politik ungerecht

Weniger als jeder zweite Deutsche fühlt noch eine besondere Verantwortung für das jüdische Volk. 54 Prozent finden Israels Politik ungerecht. Dies ergab eine bundesweite Umfrage des Instituts Yougov im Auftrag der "Welt am Sonntag".

Ein Demonstrant trägt eine Kippa bei einer Solidaritätskundgebung für Israel am 20. Mai 2021 in Berlin. Andere Demonstranten zeigen israelische Flaggen. / © Gordon Welters/KNA (KNA)
Ein Demonstrant trägt eine Kippa bei einer Solidaritätskundgebung für Israel am 20. Mai 2021 in Berlin. Andere Demonstranten zeigen israelische Flaggen. / © Gordon Welters/KNA ( KNA )

Demnach lehnen 42 Prozent der Befragten die Aussage ab: "Vor dem Hintergrund der Geschichte des Nationalsozialismus hat Deutschland bis heute eine besondere Verantwortung für das jüdische Volk". 43 Prozent stimmen dem Satz zu. Politiker zeigten sich alarmiert.

Bei Personen mit niedrigerem Schulabschluss, bei 40- bis 59-Jährigen sowie auf dem Land gibt es weniger Zustimmung als Ablehnung. Für die repräsentative Studie wurden der Mitteilung zufolge zwischen dem 5. und 9. Mai 2.147 erwachsene deutsche Staatsbürger befragt.

Deutsche deutlich auf Seite der Palästinenser

Im israelisch-palästinensischen Konflikt positionieren sich die Deutschen deutlich auf der Seite der Palästinenser. 13 Prozent empfinden die israelische Politik gegenüber den Palästinensern als (eher) gerecht, 54 Prozent als tendenziell ungerecht. Wähler der Linkspartei (69 Prozent) und der Grünen (61 Prozent) halten die israelische Politik am häufigsten für ungerecht.

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte: "Dass weniger als die Hälfte der Deutschen die besondere Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel heute noch wahrnimmt, ist alarmierend." Der Kampf gegen das Vergessen und gegen den Antisemitismus müsse immer wieder aufs Neue geführt werden.

Kühnert sieht Israel durch Iran existenziell bedroht

Ähnlich äußerte sich CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Er rief dazu auf, der "besonderen Verpflichtung für das jüdische Volk" gerecht zu werden. "Dass so viele Menschen in unserem Land diese besondere Verantwortung ablehnen, muss uns besorgen", fügte er hinzu.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärte: "Israel ist durch das iranische Mullah-Regime und sein Atomprogramm existenziell bedroht. Wir Deutsche als von Freunden umzingeltes Volk müssen uns unserer privilegierten Situation bewusst sein."

Meldestelle: "Antisemitismus ist kontinuierliches Problem"

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) hat in Berlin für 2021 insgesamt 1.052 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Davon waren 22 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen, 28 Bedrohungen, 895 Fälle verletzenden Verhaltens sowie 62 Massenzuschriften, wie aus einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Bericht hervorgeht. Erstmals seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2015 seien auch zwei Angriffe dabei gewesen, die mit "extremer, potentiell tödlicher Gewalt" einhergingen.

Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke (dpa)
Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke ( dpa )
Quelle:
KNA