Palästinenser-Demo in Berlin stößt auf massive Kritik

"Keine wehrhafte Demokratie"

Am Karsamstag sollen bei einer Kundgebung in Berlin antisemitische und volksverhetzende Parolen zu hören gewesen sein. Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft kritisieren, dass die Veranstaltung nicht aufgelöst wurde.

 Zahlreiche Menschen nehmen an einer anti-israelischen Demonstration anlässlich des sogenannten Al-Kuds-Tage teil, einige tragen eine übergroße Flagge Palästinas (Archiv) / © Jörg Carstensen (dpa)
Zahlreiche Menschen nehmen an einer anti-israelischen Demonstration anlässlich des sogenannten Al-Kuds-Tage teil, einige tragen eine übergroße Flagge Palästinas (Archiv) / © Jörg Carstensen ( dpa )

Strafrechtlich relevantes Verhalten müsse konsequent geahndet werden, mahnte der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, am Ostermontag bei Zeit Online. Mehrere Beobachter berichteten demnach dem Portal, sie hätten Anzeigen wegen Volksverhetzung erstattet.

Der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) zufolge ermittelt inzwischen dementsprechend auch der polizeiliche Staatsschutz wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Erstes Beweismaterial der Demonstration in Neukölln und Kreuzberg habe der Staatsschutz bereits ausgewertet.

Polizei mit rund 250 Einsatzkräften vor Ort

Klein betonte, allen gesellschaftlichen Gruppen müsse klar sein, dass Hass und Hetze in Deutschland bestraft werden. Er forderte zudem weitere "Schulungen und klare Anweisungen an die Polizei, wie in solchen Fällen zu reagieren ist".

Die Polizei war nach eigenen Angaben mit rund 250 Einsatzkräften vor Ort. Auch Sprachmittler und Dolmetscher seien beteiligt gewesen, sagte ein Sprecher bei Zeit Online. Nach seiner Kenntnis seien die Polizistinnen und Polizisten nicht eingeschritten.

Beck bat um Verbot von "Vorfeldorganisation"

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, sprach von einer "Israelhass-Demonstration". Es sei "völlig unverständlich", warum die Kundgebung nicht aufgelöst worden sei. Durch die derzeit angespannte Lage in Nahost sei mit "weiteren derartigen antisemitischen Hetzveranstaltungen" zu rechnen.

Volker Beck / © Roland Weihrauch (dpa)
Volker Beck / © Roland Weihrauch ( dpa )

In einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe er darum gebeten, ein Verbot der Organisation Samidoun zu prüfen, erklärte Beck weiter. Es handele sich um eine "Vorfeldorganisation" der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die von der EU als Terrororganisation gelistet werde.

Samidoun habe "sichtbaren Anteil an der Mobilisierung für diese Demonstration" gehabt; so seien Samidoun-Fahnen gezeigt worden. In Israel wurde die 2012 gegründete Organisation vor zwei Jahren als terroristisch eingestuft und verboten.

Vorfall sollte Mehrheitsgesellschaft besorgen

Auch der Jüdische Verein "WerteInitiative" erneuerte die Forderung nach einem Verbot von Samidoun. Am Samstag habe sich "banaler, klar erkennbarer Judenhass" gezeigt, erklärte der Vorsitzende der WerteInitiative, Elio Adler.

Er forderte Aufklärung darüber, warum die Demonstration nicht abgebrochen wurde und warum es keine Festnahmen vor Ort gab. "So geht keine wehrhafte Demokratie", kritisierte Adler. Dies sollte auch der "nicht-jüdische Mehrheitsgesellschaft" Sorge machen.

Meldestelle: "Antisemitismus ist kontinuierliches Problem"

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) hat in Berlin für 2021 insgesamt 1.052 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Davon waren 22 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen, 28 Bedrohungen, 895 Fälle verletzenden Verhaltens sowie 62 Massenzuschriften, wie aus einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Bericht hervorgeht. Erstmals seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2015 seien auch zwei Angriffe dabei gewesen, die mit "extremer, potentiell tödlicher Gewalt" einhergingen.

Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke (dpa)
Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke ( dpa )
Quelle:
DR , KNA