Der Austausch war vereinbart worden, nachdem im November 2022 beim Vatikan-Besuch der gesamten Deutschen Bischofskonferenz in einem "Spitzentreffen" mit Kurienkardinälen kirchenrechtliche und dogmatische Meinungsverschiedenheiten zutage getreten waren.
Beide Seiten stehen diesmal unter erheblichem Druck. Im Vatikan ist der argentinische Kurienkardinal Victor Fernandez ein Jahr nach seiner Ernennung durch seinen Landsmann Papst Franziskus zum Chefdogmatiker angeschlagen. Sein Reformvorschlag zur Zulassung informeller kirchlicher Segnungen für homosexuelle Paare vom Dezember 2023 hat insbesondere in der katholischen Kirche Afrikas und Osteuropas für harsche Kritik und schroffe Ablehnung gesorgt. Auch der ökumenische Dialog mit östlichen Kirchen hat darunter gelitten.
Chefdogmatiker unter Druck
Fernandez selbst musste nach Kairo reisen, um die große Schwesterkirche der Kopten zu besänftigen. Für den von konservativer Seite im Feuer stehenden Glaubenspräfekten ist es seither noch schwerer, Forderungen nach Veränderungen in Glaubenslehre und Kirchenrecht entgegenzukommen.
Auch an anderen Stellen der katholischen Weltkirche nehmen zentrifugale Kräfte zu. So etwa in Indien, wo Konservative Veränderungen in der Liturgie strikt ablehnen und dafür sogar zur Kirchenspaltung bereit scheinen. Oder in Europa und Nordamerika, wo die Debatten um Sonderrechte für die Anhänger des Alten Ritus wieder an Schärfe zunehmen und neue Spaltungen drohen.
Das sind keine guten Voraussetzungen für Lockerungsübungen in der Frage, wer in der Kirche die Autorität hat. Doch genau das könnte bei der Gesprächsrunde in Rom eines der Themen sein. Die Mehrheit der deutschen Bischöfe unter Führung ihres Vorsitzenden Georg Bätzing (Limburg) drängt darauf, das Gefüge der kirchlichen Machtstruktur zu verändern. Denn das geschlossene System aus Priestern und Bischöfen haben sie in den Debatten des Synodalen Wegs in Deutschland als eine entscheidende Ursache für den sexuellen Missbrauch durch Kleriker und seine Vertuschung in der klerikalen Hierarchie identifiziert.
Um dieses geschlossene System aufzubrechen, wollen sie zunächst dafür sorgen, dass Laien künftig stärker an der Bischofsauswahl beteiligt werden. Und dann sollen in den Bistümern, und auch auf nationaler Ebene, Nichtkleriker jeglichen Geschlechts an Beratungen und Entscheidungen mitwirken - nicht zuletzt bei Personalentscheidungen.
Denn die haben im Umgang mit Missbrauchstätern innerhalb des alten Kleriker-Systems oft das Unheil weiterverbreitet, statt es zu stoppen.
Den Deutschen ist es bislang nicht gelungen, ihre römischen Gegenüber davon zu überzeugen, dass es vor allem solche "systemischen" Ursachen sind, die Missbrauch und Vertuschung begünstigen - und dass man deswegen die Strukturen verändern muss. Im Vatikan überwiegt weiterhin die Annahme, dass jeder Fall von Missbrauch ein Fall individueller Schuld ist, der bestraft werden muss, mehr nicht.
Reformen unter Franziskus
Immerhin hat der Papst, auch das betonen römische Gesprächspartner, vor allem auf Drängen US-amerikanischer Bischöfe das Prinzip der Verantwortlichkeit in der Hierarchie eingeführt. Seither werden nicht nur Täter kirchenrechtlich bestraft, sondern auch jene Bischöfe, die ihre Aufsichts- und Meldepflicht vernachlässigt haben. Das ist aus Sicht vieler im Vatikan strukturelle Reform genug, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Den deutschen Vorschlag der Machtaufteilung zwischen Laien und Bischöfen halten sie weder für notwendig noch für verantwortbar. Denn aus ihrer Sicht würde das die hierarchische Struktur der Kirche aufweichen und könnte die allgemeine Orientierungslosigkeit noch verstärken.
Enorme Kirchenaustrittszahlen
An dieser Stelle kommt der Druck ins Spiel, den die deutschen Bischöfe immer stärker spüren. Bevor der Synodale Weg 2020 seine Debatten begann, lagen die jährlichen Kirchenaustritte noch bei etwa 200.000. Seit die Reformdebatte im Gang ist, hat sie sich verdoppelt und pendelt seither um 400.000 im Jahr, mit einem Spitzenwert von 520.000 im Jahr 2022.
Diese bedrohlichen Zahlen interpretieren die meisten deutschen Bischöfe als Ansporn für weitere Reformen. Doch deuten Vertreter der konservativen Minderheit, die ebenfalls immer wieder zu Gesprächen in den Vatikan kommen, die Zahlen ganz anders: Als ein Ergebnis von zu wenig klarer kirchlicher Orientierung und von gefährlichem Richtungsstreit.
Dass diese Sicht viele in Rom teilen, macht es für die Delegation der reformorientierten Bischöfe nicht leichter. Sie wollen ihre römischen Gesprächspartner von der entgegengesetzten Interpretation der dramatischen Lage der katholischen Kirche in Deutschland überzeugen und Zustimmung zu neuen Reformschritten erreichen.