Die Einladung zur Pressekonferenz klang noch etwas reißerisch: Sie wollten Ordensfrauen weltweit unterstützen, die missbraucht oder von kirchlichen Institutionen benachteiligt worden sind. Darum geht es zwar auch. Doch bei der Vorstellung ihres neuen "Instituts für Ordensrecht – von Frauen für Frauen" klangen die Benediktinerinnen der Abtei Burg Dinklage etwas nüchterner.
Auf Augenhöhe
Vornehmliches Ziel sei es, "uns Frauen auf Augenhöhe mit unseren benediktinischen Brüdern zu bringen", erklärte Äbtissin FranziskaLukas vergangene Woche in Dinklage. Im persönlichen Gespräch zwischen Ordensschwester zu -bruder rede man auf Augenhöhe, so die Äbtissin. "Sobald ich aber auf offizieller Ebene mit Ordensmännern zu tun habe, stoße ich an rechtliche Grenzen. Da sind wir dann jeweils gebunden." Das neue Institut solle dazu beitragen, das Kirchenrecht aus Sicht von Frauenorden zu kommentieren und weiterzuentwickeln.
Kirchenrechtlerinnen betreiben Institut
Betrieben wird es von den Kirchenrechtlerinnen und Ordensschwestern Scholastika Häring und Lydia Schulte-Sutrum. Während Schwester Lydia im Herbst erst ihr Lizenziat in Kirchenrecht absolviert, ist die promovierte Scholastika Häring seit vielen Jahren im Geschäft. Nach Studien an der Gregoriana in Rom war sie unter anderem Dozentin an der Hochschule in Vallendar. Aktuell arbeitet sie mit halber Stelle am Offizialat des Bistums Münster.
Seit ihrer Dissertation über Geschichte und Strukturen der internationalen benediktinischen Gemeinschaft ist sie nicht nur mit kirchlichem Ordensrecht und Eigenheiten verschiedener Gemeinschaften vertraut. Sie hat sich in der von der früheren Dinklager Äbtissin Moire Hickey 2001 mitbegründeten Gemeinschaft benediktinischer Frauenorden "Communio Internationalis Benedictinarum" (CIB) inzwischen einen Namen gemacht.
Kirchenrecht aus Frauensicht interpretieren
Zudem arbeitet Häring am Standardwerk "Münsterischen Kommentar zum Codex Iuris Canonici" mit. Auch im allgemeinen Kirchenrecht des Codex, so Häring, wäre das Ordensrecht umfassend neu und aus Frauensicht zu interpretieren. Ziel sei es natürlich, mittel- undlangfristig die eine oder andere Veränderung zu erreichen, die Frauen mehr Recht zubilligen. Zumindest sollten bis dahin bestehende Freiräume besser und flexibler genutzt werden. Im Eigenrecht der Orden lasse sich manches gestalten, betont sie. Dies verlange aber eine gute Rechtskultur.
Problematisches Verständnis von Gehorsam
Insbesondere dort, wo das Recht nicht ernst genommen werde, komme es zu körperlichem oder geistlichem Missbrauch, ergänzt Lydia Schulte-Sutrum. In solchen Fällen könne das neue Institut nur rechtlich beistehen. Psychologische Hilfe und geistliche Unterstützung müssten andere leisten. Als problematisch empfindet Schwester Lydia in dem Zusammenhang manches Verständnis von Gehorsam.
So heißt es etwa im Codex Iuris Canonici, Canon 601, der Gehorsam "verpflichtet zur Unterwerfung des Willens gegenüber den rechtmäßigen Oberen als Stellvertretern Gottes, wenn sie im Rahmen der eigenen Konstitutionen befehlen". Gleichzeitig fordert Canon 598, jedes Institut habe "in seinen Konstitutionen die Art und Weise festzulegen, wie gemäß seiner Lebensweise die evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams zu befolgen sind". In ihrer eigenen Gemeinschaft sei Gehorsam auf jeden Fall "dialogischer angelegt", so die Schwester. "Gehorsam heißt auch, von eigenen Vorstellungen zu lassen, ohne mir selbst untreu zu werden."
Papsterlasse bringen Anpassungen mit sich
Ein wesentlicher Anlass der Gründung des Dinklager Instituts sind zwei päpstliche Erlasse von 2016 ("Vultum Dei quaerere") und 2018 ("Cor orans") speziell für Frauenorden. Mit diesen hatte sich die Zahl der Anfragen an Schwester Scholastika Häring deutlich erhöht, wie sie berichtet.
Die – nicht unumstrittenen – Erlasse von Papst Franziskus verpflichten zum einen Einzelgemeinschaften, sich Assoziationen oder Kongregationen anzuschließen. Was wiederum für einzelne Gemeinschaften einen erheblichen Aufwand zur Anpassung der jeweils eigenen Regeln hat. Zum anderen verlängern sie die Ausbildungszeit für Nonnen von sechs auf neun Jahre, bevor diese ihr Gelübde der Ewigen Profess ablegen können.
Verlängerung der Ausbildung
Als Grund wurde die hohe Zahl von Ordensaustritten nach der Ewigen Profess genannt. In Männerorden sind es mindestens viereinhalb Jahre; wenngleich die Fristen für Postulat und Noviziat je nach Region und Gemeinschaft auch länger sein können.
Die Verlängerung der Mindestdauer für die Ausbildung von Ordensfrauen sei wohl Franziskus' eigener Herkunft aus dem Jesuitenorden geschuldet, hieß es schon früher hinter vorgehaltener Hand. Für Unmut sorgte damals auch eine Äußerung des Sekretärs der vatikanischen Ordensbehörde, Erzbischof Jose Rodriguez Carballo, wonach Frauen in ihren Entscheidungen wankelmütiger seien als Männer.
Diskriminierung und Ungleichbehandlung
Neben solcher Diskriminierung und Ungleichbehandlung stört die Benediktinerinnen auch die Tatsache, dass insbesondere in westlichen Ländern neue Mitschwestern nach neun Jahren Ausbildung erst spät Verantwortung im Orden übernehmen können. Dabei kämen heute die meisten Frauen schon mit einer soliden Berufsqualifikation, gar akademischem Abschluss sowie etlicher Lebens- und Berufserfahrung.
Die verpflichtende Zugehörigkeit einzelner Gemeinschaften zu Assoziationen und Kongregationen hingegen hat laut Häring auch Vorteile. So kann die Vorsitzende eines solchen Ordensverbands Visitationen machen oder die Wahlen von Äbtissinnen leiten. Sonst müsste sich eine Gemeinschaft an den Ortsbischof wenden. Häring hat laut eigener Aussage schon bisher vielfach geholfen, Visitations- und Wahlordnungen zu erstellen.
"Ein mutiges Projekt"
Außerdem wollen die Dinklager Benediktinerinnen anderen Gemeinschaften und Verbänden helfen, geänderte und reformierte Regeln und Statuten im Vatikan aprobieren zu lassen. Mit entsprechenden Anträgen ist das zuständige Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens – zumal seit den Erlassen von 2016 und 2018 – gut beschäftigt.
Finanziert werden soll das neue Institut durch Beratungshonorare, Spenden sowie die sonstige Arbeit der Dinklager Benediktinerinnen. Darauf hat Schwester Ulrike Soegtrop, die Cellerarin der Dinklager Schwestern, ein Auge. Nach drei Jahren wolle die Gemeinschaft eine erste Bilanz ziehen, sagte sie. Als weitere Station in fünf Jahren sei der überarbeitete Münstersche Kommentar zum Ordensrecht gedacht, für den Schwester Scholastika Häring zuständig ist. Insgesamt "ein mutiges Projekt", befindet Soegtrop. Wenn in Dinklage nun endlich auch Glasfaserkabel ankämen, könne es noch besser weitere Fahrt aufnehmen.