Michel – der auch Komponist ist - spielt ein ungewöhnliches Werk von sich selbst; bei den vier Psalmmeditationen für Pedal solo steht das Pedal, also das Orgelspielen ausschließlich mit den Füßen, im Zentrum.
Den Auftakt des Konzertes bilden drei Choralbearbeitungen von Johann Sebastian Bach über zwei bekannte Kirchenlieder ("Valet will ich dir geben"; "Es ist gewißlich an der Zeit").
Die Renaissance der Werke des langjährigen Leipziger Thomaskantors ab den 1920er Jahre hatte zur Folge, dass einige bekannte Organisten und Komponisten für Orgelmusik des 19. Jahrhunderts in Vergessenheit gerieten. Dazu gehört auch Christian Heinrich Rinck.
Beethoven-Zeitgenosse Rinck erklingt im Kölner Dom
Er wirkte lange im hessischen Darmstadt vor allem als Hoforganist. Als Zeitgenosse von Mozart und Beethoven (mit dem er das Geburtsjahr 1770 teilt), galt Rinck als einer der besten Organisten in dieser Zeit, seine Orgelwerke waren berühmt. Doch im 20. Jahrhundert konzentrierte sich viel auf die Wiederentdeckung der Barockmusik für Orgel, vor allem auf die Werke von Johann Sebastian Bach, da wurden Komponisten des 19. Jahrhundert als eher minderwertig für die Orgel angesehen – zu Unrecht, wie auch das Konzert der Orgelfeierstunden zeigen wird, Johannes Matthias Michel spielt von Rinck das „Flöten-Concert F-Dur“.
Vielleicht etwas bekannter als Rinck ist der etwas mehr als 100 Jahre später geborene Sigfrid Karg-Elert. Er komponierte eine Vielzahl an Werken für das Harmonium und die Orgel. Ähnlich wie Rinck waren seine Werke nach seinem Tod aufgrund der Orgelbewegung und deren Rückbesinnung auf barocke Orgelmusik erstmal nicht so sehr gefragt, seit 1970er Jahren werden seine Kompositionen wieder verstärkt aufgeführt.
Karg-Elert verehrte die Musik Bachs sehr, so dass er immer wieder das Motiv B-A-C-H in seinen Werken verwendete. Wie Bach wirkte er in Leipzig, allerdings nicht als Thomaskantor, sondern als Klavier-Lehrer am Leipziger Landeskonservatorium.
Nationalismus: Karg-Elert komponierte zu "undeutsch"
Karg-Elert war international orientiert und als Komponist in den USA und anderswo sehr angesehen – doch der deutsche Musikbetrieb wurde in den 1920er und 30er Jahren immer nationalistischer, seine Internationalität brachte Karg-Elert den Ruf ein, "undeutsch" zu komponieren, Gerüchte um eine jüdische Abstammung führten zu einem starken Rückgang der Aufführungen der Werke Karg-Elerts nach seinem Tod 1933. Verbunden mit der besagten Orgelbewegung, dauerte es bis in die 1970er Jahre bis seine Werke wieder mehr aufgeführt wurden. Einen großen Anteil daran hat die Karg-Elert-Gesellschaft. Johannes Matthias Michel war von 1984-2019 ihr Vorsitzender und lange Jahre Herausgeber von deren Publikationen.
Der Stil von Karg-Elerts Musik ist nicht einheitlich, am ehesten wird er als spätromantisch mit impressionistischem und expressionistischem Einfluss beschrieben. Dem Harmonium verhalf er durch seine Werke zu einer künstlerischen Aufwertung - vor allem für dieses Instrument, die Orgel und das Klavier komponierte er, dazu kommt Kammermusik und Chorwerke. Beim Konzert im Kölner Dom erklingt die "Partita retrospettiva op. 15".
Michel ist ein explizierter Kenner der Werke von Karg-Elert. Der langjährige Hochschulprofessor und Kirchenmusikdirektor an der Christuskirche Mannheim führt seine Werke immer wieder auf und hat viele Kompositionen auf CD eingespielt.
Übertragung in Ton und Bild ab 19:45 Uhr
Auch bei diesem Konzert werden wie immer bei den Orgelfeierstunden 2020 nur wenige Zuschauer coronabedingt zugelassen. Die Ticketvergabe erfolgt über eine wöchentliche Kartenverlosung, die auf koelner-dom.de/orgelfeierstunden/ zu finden ist.
DOMRADIO.DE überträgt alle Konzerte der Orgelfeierstunden 2020 live in Ton und Bild immer dienstags ab 19:45 Uhr auf der Internetseite, bei Facebook (und der Facebook-Seite der Kölner Dommusik), Youtube und via dem katholischen Fernsehsender EWTN. In Regel gibt es ab viertel vor acht abends eine Werkeinführung durch den konzertierenden Organisten, ehe das Live-Konzert um 20 Uhr beginnt.