Deutscher Priester auf der Titanic wollte nach Amerika

"Ein großes Rätsel"

Vor 111 Jahren sank die Titanic, nachdem sie einen Eisberg gerammt hatte. Mit an Bord waren auch Priester, um mit den Reisenden Gottesdienste zu feiern. Einer von ihnen kam aus Bayern und war auf dem Weg nach Amerika.

Erich Benninghoven schoss unter anderem dieses Foto. Nur wenige Tage später rammt die Titanic einen Eisberg und geht unter. / © Erich Benninghoven
Erich Benninghoven schoss unter anderem dieses Foto. Nur wenige Tage später rammt die Titanic einen Eisberg und geht unter. / © Erich Benninghoven

DOMRADIO.DE: Wie lange hat die Musikkapelle eigentlich gespielt? Gibt es darüber wissenschaftliche Einigkeit?

Jens Ostrowski (Journalist und Titanic-Buchautor): Wissenschaftliche Einigkeit gibt es bei der Titanic an vielen Stellen leider nicht. Wir gehen aber davon aus, dass die Kapelle um den berühmten Bandleader Wallace Hartley bis kurz vorm Ende, also kurz vor dem Untergang, wirklich gespielt hat und damit dafür gesorgt hat, dass möglichst wenig Panik ausbricht.

DOMRADIO.DE: Hatte die Titanic einen Andachts- oder Gebetsraum?

Ostrowski: Nein, das gab es nicht. Es waren aber regelmäßige Gottesdienste vorgesehen für die erste und zweite Klasse. Das Ganze fand dann in den dortigen Speisesälen statt.

DOMRADIO.DE: Aus der Titanic-Verfilmung von 1997 wissen wir, dass die Passagiere der dritten Klasse nicht die anderen Klassen betreten durften. Aber diese Reisenden hatten doch mit Sicherheit auch ein Bedürfnis nach Gottesdiensten.

Jens Ostrowski, Buchautor

"In der dritten Klasse reisten ja überwiegend Auswanderer, also Menschen, die in Europa alles hinter sich gelassen hatten, ihr Hab und Gut verkauft haben, mit zwei Koffern oder drei Koffern unterwegs waren in die neue Welt und da mit Sicherheit zur damaligen Zeit auch geistlichen Beistand brauchten."

Ostrowski: Absolut. Und ich gehe davon aus, dass sie das größte Bedürfnis hatten. Denn in der dritten Klasse reisten ja überwiegend Auswanderer, also Menschen, die in Europa alles hinter sich gelassen hatten, ihr Hab und Gut verkauft haben, mit zwei Koffern oder drei Koffern unterwegs waren in die neue Welt und da mit Sicherheit zur damaligen Zeit auch geistlichen Beistand brauchten.

DOMRADIO.DE: Es gibt unterschiedliche Erklärungen, warum Pfarrer Peruschitz an Bord war. Einer, der auch mit mitgereist ist, der jeden Tag von der zweiten Klasse in den Speisesaal der dritten Klasse kam und zusammen mit anderen Priestern Gottesdienste gefeiert hat. Warum er in die USA reisen wollte, da gibt es unterschiedliche Erklärungen zu, aber er hinterlässt bis heute ein großes Rätsel.

Ostrowski: Pater Joseph Peruschitz, ein Benediktinerpater aus dem bekannten Kloster Scheyern in Bayern, reiste nach Amerika. Und es ist leider ein Rätsel.

Jens Ostrowski, Buchautor

"Das Interessante ist, dass über alle drei Klosterschulen, die da benannt werden, wohin er angeblich wollte, heute nichts in den Archiven zu finden ist."

Eine Variante lautet, dass er in Minnesota eine Klosterschule übernehmen, leiten und dort unterrichten sollte. Leider gibt es in den Aufzeichnungen drei unterschiedliche Aussagen, wohin er eigentlich wollte. Er hat auch damals seiner Familie nicht Bescheid gegeben, dass er nach Amerika gehen wird. Es heißt, er wollte von Amerika aus die Familie mit einem Telegramm überraschen. Die Familie lebte auch in Bayern.

Das Interessante ist, dass über alle drei Klosterschulen, die da benannt werden, wohin er angeblich wollte, heute nichts in den Archiven zu finden ist. Er ist also in Amerika von der Geschichte verschluckt worden und deshalb bleibt es ein großes Rätsel, wohin er wirklich wollte.

DOMRADIO.DE: Sie sind Journalist und Titanic-Buchautor. Warum interessieren Sie sich vor allem für den katholischen Pfarrer Josef Peruschitz, dass Sie ihm sogar ein eigenes Buch widmen wollen?

Ostrowski: Ich interessiere mich nicht ausschließlich für Pater Joseph Peruschitz, sondern vor allem für die deutschen Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord der Titanic. Eben die deutschen Namen wie beispielsweise Meyer, Müller aus Rostock und Köln machen diese Katastrophe für mich als jemand, der auch aus Deutschland kommt, viel greifbarer als die amerikanischen Millionäre, die ständig in der Presse genannt werden.

DOMRADIO.DE: Erst kürzlich ist herausgekommen, dass ein deutscher Fotograf das oder eines der letzten Bilder der Titanic gemacht hat.

Ostrowski: Das war sehr, sehr spannend. Also ein Fotograf, Erich Benninghoven, aus dem Rheinland. Er hat zur damaligen Zeit aber in Berlin gearbeitet, für die "Berliner Illustrierte", damals eine sehr renommierte Tageszeitung. Er gilt als einer der ersten Lichtbildjournalisten des Deutschen Reiches.

Er hat auf der ganzen Welt fotografiert. Er hat Kaiser Wilhelm auf seinen Reisen begleitet. Er hat beispielsweise die Krönungsprozession in Siam fotografiert. Er war an den Fronten des Ersten Weltkrieges, im Osten und im Westen, unterwegs. Und er hat auch die Titanic fotografiert.

Das Bild selber ist seit vielen Jahrzehnten bekannt, nicht aber, dass es Erich Benninghoven fotografierte. Und das konnten wir vor etwa zwei Jahren recherchieren und ist auch ein weiterer deutscher Geschichtsanteil, der unser Land mit der Titanic verbindet.

DOMRADIO.DE: Kommen wir noch einmal auf die Priester an Bord zurück. Es gab noch andere. Einer von ihnen könnte sogar heiliggesprochen werden. Stimmt es?

Stella Maris – Katholische Seemannsmission

Seefahrer in allen Ländern und Kontinenten kennen die katholischen Seemannsmissionen weltweit unter dem Namen "Stella Maris" (Latein für "Stern des Meeres"). Darüber hinaus ist er ein alter Beiname für Maria, der Mutter Jesu, die auch heute noch für viele Seefahrer als Patronin verehrt wird und deren Schutz und Beistand sie vertrauen.

Seelsorge für Seeleute / © Markus Schönherr (KNA)
Seelsorge für Seeleute / © Markus Schönherr ( KNA )

Ostrowski: Thomas Byles, einer der bekanntesten Priester an Bord. Seine Heimatgemeinde hat 2015 gefordert, dass er heiliggesprochen wird. Das ist meines Wissens bis heute nicht passiert.

Auch interessant, bei Pater Joseph Peruschitz gab es, nachdem er mit der Titanic untergegangen war, laute Forderung, dass doch im Klosterhof in Scheyern ein großer Gedenkstein errichtet werden müsste. Die Glaubensbrüder in Bayern haben sich aber dazu entschieden nein zu sagen. Er hat sich an Bord der Titanic so verhalten, wie sich jeder andere Priester auch verhalten hätte und deshalb bekommt er eine kleine Tafel aus Sandstein, so wie jeder andere Geistliche, der verstirbt, sagten die.

DOMRADIO.DE: Zum Schluss noch eine Frage zur Verfilmung mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio. Wie finden Sie den Film?

Ostrowski: Ich finde den Film sehr spannend dahingehend, dass man 1997 auf der Leinwand die Titanic wirklich zum allerersten Mal in Farbe sehen konnte. Die Liebesgeschichte interessiert mich weniger.

Das Schiff selber ist sehr spannend. James Cameron hat damals nach den originalen Bauplänen nicht nur die Innenräume nachgestalten lassen, sondern auch einen Großteil der Außenhaut in neunzigprozentiger Größe. Deshalb war es für mich damals, 1997, wirklich sehr spannend, im Kino diesen Film zu sehen, weil man die Titanic vorher ausschließlich von schwarz-weißen Abbildungen kannte.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Quelle:
DR