domradio.de: Ihre Kirche St. Paul liegt in Wittlich in der Eifel und hat eine direkte Anbindung an eine Autobahn, nämlich die A1. Die Kirche hat aber noch eine andere Verbindung zur Autobahn. Welche ist das?
Petra Jung (Pastoralreferentin des Dekanats Wittlich): Das Interessante ist, dass diese Autobahnkirche, derjenigen gedenkt, die diese Schnellstraße in der Zeit zwischen 1939 und 1942 unter unmenschlichen Bedingungen schaffen mussten. Das waren die Strafgefangenen vom Konzentrationslager Hinzert. In Wittlich gab es zwei Außenlager, eins für Männer und ein anderes für Frauen. Sie wurden zu diesen Arbeiten unter Einsatz ihres Lebens gezwungen. Dann hat der Förderverein eine Möglichkeit des Erinnerns gesucht und kam auf den Wittlicher Künstler Sebastian Langner, der ein Mahnmal neben der Eingangstür an der Außenwand geschaffen hat.
domradio.de: St. Paul selbst hat aber auch eine bewegte Vergangenheit, denn sie ist eine ehemalige Klosterkirche und wurde sozusagen gerettet. Offiziell erbaut wurde sie aber erst 1969. Wie geht das zusammen?
Jung: Unmittelbar sieht man neben der Kirche ein fast schlossähnliches, großes Gebäude. Das war das ehemalige Kloster der Steyler Missionare. Da hat das kleine Oratorium für die Anzahl der Besucher nicht mehr ausgereicht, die auch aus dem Umland gekommen sind. Die Steyler Missionare haben selbst ein Internat auf dem Gelände betrieben, sodass ich mir denke, dass der Platz einfach nicht mehr ausgereicht hat. Es wurde dann um 1969-70 dieser moderne Kirchenbau geschaffen, der wirklich sehr schön anzuschauen ist.
domradio.de: Die Kirche wird vom Förderverein mit rund 200 aktiven Leuten gepflegt. Was ist die Hauptaufgabe des Fördervereins?
Jung: Der Förderverein erhält diese Kirche natürlich. Nach dem Weggang der Steyler Missionare 2004 sind das Gelände, die Klosterkirche, das Klostergebäude und die Felder in den Besitz einer Immobiliengesellschaft übergegangen, die hauptsächlich die finanziellen Kosten trägt, während der Förderverein einen Zuschuss von ungefähr von 1.400 – 1.500 Euro im Monat zu tragen hat. Besonders aktiv ist eine Gruppe von ungefähr 50 Menschen, die alle notwendigen Dienste übernimmt. Eine Autobahnkirche muss von morgens acht Uhr bis abends 20 Uhr geöffnet sein. Es gibt einen Schließdienst, es gibt eine technische Leitung, Verwaltung, Blumendienste und liturgische Dienste mit Küster, Organist und Lektor. Das Bistum hat sich ganz aus der Finanzierung zurückgezogen und das muss jetzt alles getragen werden.
domradio.de: Wie oft treffen Sie auf Reisende, die diese Auszeit vom Stress auf der Autobahn nehmen?
Jung: In der Kirche findet ein reges Leben statt. Man sieht immer den Lichterbaum vor dem Taizékreuz, der mit brennenden Kerzen bestückt ist. Es ist auch laut Studie erwiesen, dass die Anonymität dieser Kirchen geschätzt wird. Es kommen viele Besucher, auch Jogger, Radfahrer und Wanderer, die unterwegs sind. Da wollen wir einfach einen Raum für Ruhe und geistliche Impulse und Gedanken anbieten. Das Entscheidende passiert zwischen Gott und Mensch.
domradio.de: Es ist auch eine Radwegekirche, nicht nur eine Autobahnkirche. Das heißt, liegt sie direkt an einem bekannten Radweg?
Jung: Es handelt sich um den Maare-Mosel-Radweg, der von den Maaren der Eifel runter bis an die Mosel führt. Das ist eine ehemalige Bahnstrecke, die jetzt für Radfahrer durch landschaftlich interessante Gegenden führt, auf der man auch mehrere Tunnel durchfährt.
domradio.de: Sie nennen Ihre Pastoral "passagere Pastoral". Was meinen Sie damit?
Jung: Damit ist gemeint, dass sie offen ist für Menschen, die einfach mal hineinkommen, Impulse empfangen wollen, Anregungen mitnehmen möchten und in die Kunst dieser Kirche versinken wollen. Anlass dazu gibt ein großes Wandgemälde von dem Künstler Werner Persy. Zusätzlich bietet ein Schriftenstand Anregungen. Neuerdings haben wir einen Pater, der zur Verfügung steht. Wir sind sehr dankbar, dass die Steyler Missionare immer wieder einen Pater für diese Arbeit freistellen, der auch zum Gespräch in der Kirchen anzutreffen ist.
Das Gespräch führte Martin Mölder.