Diakon lobt Umnutzung der Kölner Sankt Karl Borromäus-Kirche

"Das hat sich eigentlich alles ganz natürlich ergeben"

Cafés, Hotels oder Buchläden. Es gibt zahlreiche Beispiele für umgenutzte Kirchen. Die Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln-Sülz befindet sich in einem Wandlungsprozess, neben Gottesdiensten gibt es auch viele andere Angebote.

 Lebensmittelausgabe in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln-Sülz am 17. August 2022. / © Harald Oppitz (KNA)
Lebensmittelausgabe in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln-Sülz am 17. August 2022. / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum wurde überhaupt ein neues Konzept für Sankt Karl aufgestellt?

Diakon Hanno Sprissler / © Beatrice Tomasetti (DR)
Diakon Hanno Sprissler / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Hanno Sprissler (Diakon in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln-Sülz): Sankt Karl ist eine Kirche, bei der man schon vor einigen Jahren darüber nachgedacht hat, die Kirche anders zu nutzen. Denn die Gemeinde wurde immer kleiner. Sie wurde mit Sankt Nikolaus zusammengelegt und auch die Zahl der Gottesdienste wurde dort immer geringer.

Die Kirche wurde in der ursprünglichen Nutzung eigentlich nur noch bis heute dienstags in der Morgenmesse und samstags in der Vorabendmesse genutzt. Mittlerweile sind es dienstags vielleicht fünf bis zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer und am Samstag etwa 20 bis 30, also eine sehr geringe Zahl.

DOMRADIO.DE: Die Menschen wollen natürlich weiterhin in die Kirche kommen. Aber das Gotteshaus soll künftig auf zwei Arten genutzt werden. Caritas und Verkündigung, so heißt das Konzept. Wie kann man sich das vorstellen?

Sprissler: Das hat sich eigentlich alles ganz natürlich ergeben. Zum einen ist unter der Kirche das internationale Caritas-Zentrum, was eine karitative Nutzung schon mal durch die möglichen Synergien nahe gelegt hat.

Dann existierte vor Ort zunächst auf dem Innenhof von Sankt Karl eine Lebensmittelausgabe, die wir zusammen mit der FC-Stiftung eingerichtet haben. Die wuchs immer weiter und brauchte immer mehr Platz. Erst waren wir draußen auf dem Kirchplatz, aber dort standen die Menschen durch die umliegenden Geschäfte und Cafés sehr unter Beobachtung. Um ihren einen etwas geschützten Raum zu geben, ging es in die Kirche.

Kunden stehen in einer Schlange an der Kirchentüre vor der Lebensmittelausgabe der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln am 17. August 2022. / © Harald Oppitz (KNA)
Kunden stehen in einer Schlange an der Kirchentüre vor der Lebensmittelausgabe der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln am 17. August 2022. / © Harald Oppitz ( KNA )

Dann kamen noch Menschen, die spendeten neben den Lebensmitteln plötzlich auch Kleidung und fragten, ob wir die ausgeben. Dann haben wir eben auch Kleidung mit ausgegeben, bis jetzt vor kurzem auch Haushaltsauflösungen dazu kamen. Das Angebot wurde immer größer und die Nachfrage aber leider auch. So brauchten wir einfach schlicht mehr Platz.

DOMRADIO.DE: Was Sie erzählen, erinnert ein bisschen an moderne Concept Stores, also Kleiderkammer, Lebensmittelausgabe, Kaffee, dazu Messen und Gebete. Nur eben in einer Kirche. Haben Sie völlig freie Hand, um diese Kirche neu zu denken?

Sprissler: Es gibt natürlich Einschränkungen, zum Beispiel steht die Kirche unter Denkmalschutz. Das ist ein wichtiger Aspekt für uns, der uns rein formal ein wenig einschränkt.

Hanno Sprissler (Diakon in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln-Sülz)

"Das wird getragen durch eine unglaublich schöne und lebendige Gemeinschaft von Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen dazu gekommen sind."

Das ist kein Konzept, was sozusagen auf meinem Mist gewachsen ist, sondern zu dem ganz viele Menschen ihre Ideen eingebracht haben. Das wird durch eine unglaublich schöne und lebendige Gemeinschaft von Menschen getragen, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen dazu gekommen sind.

Unser Pastor, der Kirchenvorstand und die Gremien haben dieses Konzept besprochen und sie finden das alle extrem gut und unterstützenswert. Von daher haben wir, zumindest was die Formalitäten und den Rückhalt in der Gemeinde angeht, tatsächlich freie Hand.

DOMRADIO.DE: Das heißt, man könnte sagen, Sie wachsen wieder ein bisschen in der Gemeinde?

Sprissler: Ja, das erleben wir echt. Das ist ein unglaublicher Zusammenhalt in dem Team. Das strahlt auch auf die Kundinnen und Kunden, auf die Gäste aus, auf all die, die das nutzen und auch auf das Viertel.

Es kommen immer wieder Menschen von außen und bringen noch einen Fernseher vorbei oder irgendwelche Sachen, die sie halt verschenken wollen, die aber wirklich noch gut sind. Also nicht, dass sie da ihren Müll abladen, sondern wirklich mit dem Herzen auch die Nachbarinnen und Nachbarn unterstützen.

DOMRADIO.DE: Wer darf das Angebot letztendlich nutzen? Wer kommt zu Ihnen? Ist das auf eine Konfession festgelegt?

Sprissler: Nein, ganz und gar nicht. Bei den Lebensmittelausgaben sind wir auf Bewohnerinnen und Bewohner aus Sülz, Klettenberg und Lindenthal beschränkt. Was die anderen Angebote angeht, haben wir in Kooperation mit der unten ansässigen Caritas jeden Mittwoch eine Essensausgabe, die Kleiderausgabe natürlich auch und das Beratungsangebot, was über die Caritas angeboten wird. Das kann von allen Menschen genutzt werden, die im weitesten Sinne bedürftig sind. Als Nachweis gilt bei uns, zumindest für die Lebensmittelausgabe, der Köln-Pass oder der Jobcenter-Bescheid.

DOMRADIO.DE: Wie wird der Kirchenraum aussehen? Stehen noch Holzbänke drinnen oder wo sitzen die Gläubigen während des Gottesdienstes?

Sprissler: Die Holzbänke sind vor knapp zwei Wochen abtransportiert worden. Da hat sich eine Gemeinde aus Polen gefunden, die ein neues Gotteshaus baut und dafür die Bänke sehr gut gebrauchen kann. Was dann auch absolut im Sinne der Gemeinde war und der vielen, die für die Bänke gesammelt haben.

Hanno Sprissler (Diakon in der Kirche Sankt Karl Borromäus in Köln-Sülz)

"Die feiern all ihre Gottesdienste immer im Stehen. Die waren richtig glücklich, als endlich die Bänke raus waren, da sie jetzt Platz haben."

Ansonsten haben wir momentan eine Übergangslösung in der Kirche. Es sind aktuell ein paar Stühle aufgebaut, Paravents, um einen Eindruck zu vermitteln, wie später die Raumaufteilung aussehen wird.

Das ist ganz hervorragend, weil gerade auch eine ukrainisch-orthodoxe Gemeinde ausprobiert, ob die Kirche für sie geeignet ist. Die feiern all ihre Gottesdienste immer im Stehen. Die waren richtig glücklich, als endlich die Bänke raus waren, da sie jetzt Platz haben. Sie haben vorher die Bänke immer einzeln zurückgestellt. Die Bänke sind massiv. Jede Einzelne wiegt ungefähr 250 Kilo und das ist schon mit vier Leuten sehr anstrengend zu tragen.

Sie haben jetzt Platz. Ende des Monats hat sich eine Gruppe gefunden, die auch darauf gewartet hat, dass die Bänke raus kamen. Eine Gruppe junger Erwachsener, die ein Taizé-Gebet anbieten und dazu musizieren.

Ich habe auch schon Anfragen für sakrale Konzerte bekommen, Gruppen die dort ein Konzert geben wollen. Das spricht sich anscheinend langsam rum, dass dieser Ort eine andere Ausstrahlung und andere Möglichkeiten bietet.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Umnutzung und Profanierung von Kirchen

Obwohl in Deutschland sowohl katholische als auch evangelische Kirchen leer stehen, ist die Umwidmung katholischer Kirchen komplizierter. Wenn eine katholische Kirche – oder ein anderer heiliger Ort – Weihe oder Segnung verliert, geschieht durch diese Profanierung das Gegenteil der (Kirch-)Weihe. Angeordnet wird eine solche Entwidmung durch ein Dekret des Diözesanbischofs, das im Allgemeinen in einem letzten Gottesdienst verlesen und damit wirksam wird. Damit wird dann das Gotteshaus dauerhaft profanem Gebrauch überlassen.

Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie (shutterstock)
Die ehemalige Dominikanerkirche in Maastricht ist jetzt ein Buchladen. / © Wut_Moppie ( shutterstock )
Quelle:
DR