Der Vorstandssprecher der Diakonie München und Oberbayern ist wegen "eindeutigen Fehlverhaltens" mit sofortiger Wirkung abberufen worden. Der Untersuchungsbericht einer externen Kanzlei sehe den Vorwurf einer körperlichen Grenzüberschreitung des Pfarrers als bestätigt an, teilte der Aufsichtsrat des evangelischen Sozialunternehmens am Mittwoch mit. Die Aussagen der betroffenen Frau seien in den Gesprächen mit den Fachstellen sowie im Einzelinterview mit den Rechtsanwälten "absolut glaubwürdig" gewesen, sagte der Sprecher des Aufsichtsrates.
Zudem habe der aus der rheinischen Kirche stammende Vorstandssprecher "Versäumnisse im Rahmen der internen Aufarbeitung der gemeldeten Übergriffigkeit" gezeigt, erklärte der Aufsichtsrat. Das Vertrauensverhältnis zu dem 58-jährigen Theologen sei deshalb "nachhaltig gestört". Weitere anonyme Anschuldigungen und der Vorwurf der Geldverschwendung bei einem Bauprojekt hätten sich hingegen nicht erhärtet.
Prüfung von Vorwürfen der Amtspflichtverletzung
Eine externe Rechtsanwaltskanzlei führte für den Prüfbericht seit Anfang August rund 40 Einzelinterviews mit früheren und aktuellen Mitarbeitenden der Diakonie. Der Vorstandssprecher der Diakonie München hatte sein Amt im Juni 2020 angetreten. Zuvor war er in leitender Diakonie-Funktion im Gebiet der Evangelischen Kirche im Rheinland tätig. Im September dieses Jahres teilte die rheinische Kirche auf Anfrage des Evangelischen Pressedienst (epd) mit, sie prüfe "als dienstrechtlich zuständige Anstellungsträgerin derzeit Vorwürfe der Amtspflichtverletzung gegen einen in Bayern tätigen Pfarrer unserer Kirche".
Der Aufsichtsrat der Diakonie München bedauerte das Fehlverhalten des Diakonie-Chefs. Es entspreche nicht "den Werten der Diakonie wie Respekt, Offenheit und Transparenz sowie einer auf Vertrauen basierenden Unternehmenskultur", sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Peter Gleue. Die Abberufung des Sprechers sei dem Gremium nicht leichtgefallen. Die Ergebnisse der Untersuchung "haben uns aber keine andere Wahl gelassen", betonte Gleue. Das Wohl der Diakonie stehe im Mittelpunkt. Die Entscheidung bei der außerordentlichen Sitzung am Dienstagabend sei einstimmig gefallen.
Öffentliche Vorwürfe
Mitte September waren erstmals Vorwürfe wegen "verbaler und körperlicher Grenzüberschreitung" gegen den Vorstandssprecher der Diakonie München öffentlich geworden. Eine Mitarbeiterin hatte sich im Herbst 2021 an die Meldestelle "Aktiv gegen Missbrauch" der bayerischen Landeskirche und an das Pendant der Diakonie Bayern gewandt. Im November meldete die Fachstelle den Vorfall nach epd-Informationen an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Münchner Diakonie. Ob dieser das gesamte Gremium informierte, ist nach wie vor unklar. Im Januar wurde die betroffene Mitarbeiterin dann "auf eigenen Wunsch" freigestellt.
Im Mai erhielt Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden einen anonymen Brief mit den Vorwürfen und wandte sich damit an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Diakonie. Daraufhin tagte Ende Juli 2022 das gesamte Gremium und beauftragte eine externe Kanzlei damit, die Vorwürfe zu prüfen. Eine Woche, nachdem die Vorwürfe Mitte September öffentlich geworden waren, trat der Aufsichtsratsvorsitzende von seinem Amt zurück.