DOMRADIO.DE: Die Dorfkirche Alt-Staaken lag damals direkt an der Berliner Grenze. Wo lag sie da genau?
Pfarrer Cord Hasselblatt (Evangelische Kirchengemeinde Berlin-Staaken): Sie lag tatsächlich genau am späteren Mauerverlauf. Deswegen späterer Mauerverlauf, weil Staaken schon zehn Jahre vor dem Mauerbau durch einen Gebietsaustausch der Siegermächte geteilte wurde.
Die Briten und die Sowjets wollten jeweils einen eigenen Flughafen in Berlin haben. Deswegen wurde getauscht und die Briten haben den Flughafen in Gatow bekommen und die Sowjets den ehemaligen Zeppelin-Flughafen in Staaken. So wurde Staaken schon am 2. Februar 1951 durch Stacheldraht geteilt, zehn Jahre vor dem Mauerbau.
Später wurde die Mauer dann genau an der Dorfkirche errichtet. Die Mauer verlief quasi in einem Zickzack um die Dorfkirche herum und fünf bis zehn Meter von der Kirche entfernt stand ein Wachturm. Der Verlauf der Mauer ist auch heute noch durch spezielle Pflastersteine zu sehen.
DOMRADIO.DE: Was wissen Sie von der Zeit des Mauerbaus und der Zeit unmittelbar danach?
Hasselblatt: Das war eine sehr schwere Zeit für die Staakener Gemeinde. In den 1950er-Jahren, als das Dorf Staaken schon geteilt war, hat die Kirchengemeinde noch versucht, ihre Einheit zu bewahren. Nach dem Bau der Mauer wurde vom Konsistorium entschieden, eine neue Gemeinde zu gründen.
Das passierte am 1. Januar 1962 mit der Gemeinde Staaken-Albrechtshof. Die neue Kirchengemeinde war für die Bevölkerung schrecklich, sehr schlimm. Es war kein Hinüberkommen mehr in den politischen Westen möglich.
Das Gemeindeleben war sehr, sehr kompliziert. Pfarrer Johannes Theile konnte noch die Grenze überschreiten, aber ansonsten war es ein sehr strenges Grenzregime, auch an der Hauptstraße. Im direkten Mauerbereich kamen die Menschen nur mit ihrem Anwohnerausweis in die Häuser. Es war für die Bevölkerung sehr schwer.
Erst nach und nach etablierte sich ein neues gemeindliches Leben in der DDR. Ab 1962 dann mit Pfarrer Haack, der dann über 20 Jahre bis 1984 dort war und die Gemeinde durch diese schwere Zeit gebracht hat.
DOMRADIO.DE: Wie waren das Gemeindeleben und die Gottesdienste damals?
Hasselblatt: Es haben immer Sonntagsgottesdienste in der Kirche stattgefunden, die so dicht an der Mauer stand. Die Gottesdienstgemeinde wurde sehr viel kleiner. Einige Menschen waren dort. Es gab eine Dame, die Flöte gespielt hat und sich als Lektorin betätigt hat.
Es war eine besondere Situation. Kaum anderswo hat es ein Kirchengrundstück, dass so direkt an der Grenze lag und betretbar war. Durch diesen unmittelbaren Grenzbereich war die Situation angespannt. Die DDR-Behörden waren sehr nervös. Für die war es sehr unpassend, dass das Kirchengelände direkt an der Mauer gelegen ist.
DOMRADIO.DE: Konnte man denn von der Kirche aus rüber in den Westen gucken?
Hasselblatt: Ja, vom Pfarrhaus, wo die Familie Haack gewohnt hat, in der Hauptstraße 12, konnte man von der obersten Etage aus ziemlich gut auf die Grenzanlagen schauen. Auch deswegen war das Pfarrhaus den DDR-Behörden ein echter Dorn im Auge. Es war eine sehr schwierige Situation damals.
DOMRADIO.DE: Wie sieht das Gemeindeleben heute bei Ihnen aus?
Hasselblatt: Inzwischen ist unser Gemeindeleben ganz anders geworden. Kurz nach der Wende kam Pfarrer Rauer in die Gemeinde, und von September 1991 an hat sich schon ganz viel getan. Die Dorfkirche ist mit vielen anderen Menschen neugestaltet worden. Seit 2002 ist das Wandbild "Versöhnte Einheit" zu sehen und wir haben jetzt ein neues Gemeindeleben.
Sehr viele Menschen sind nach der Wende neu zugezogen. Die Kirchengemeinde zu Staaken ist seit gut 20 Jahren ein Begriff und eine neue Wirklichkeit geworden. Mit den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Ehrenamtlichen gestalten wir ein sehr vielfältiges Leben.
Das Interview führte Oliver Kelch.