Mit ihren Kollegen will sie am liebsten nicht über die Wettkämpfe sprechen. "Die fragen immer und nerven mich", sagt Daniela March, eine zierliche Berlinerin mit kurzen dunklen Haaren.
"Ich sage dann: Ach, lass mich doch in Ruhe." Denn langsam wird es ernst – und die 41-Jährige immer nervöser.
Am Sonntag startet sie mit ihrem Team bei den Special Olympics World Games in Berlin im Bowling. March ist eine von rund 7.000 Athletinnen und Athleten aus aller Welt, die bis zum 25. Juni in 26 Sportarten konkurrieren. Rund 400 deutsche Sportlerinnen und Sportler werden dabei sein.
Olympioniken mit geistiger und mehrfacher Behinderung
Die Spiele sind die weltweit größte Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung und finden erstmals in Deutschland statt.
Es gibt Besonderheiten bei den Wettbewerben – wie zum Beispiel, dass sich die Sportler überhaupt im Bowling messen. Dies ist eigentlich keine olympische Sportart, aber bei den Special Olympics eine der beliebtesten Disziplinen.
Der Traum von Bowlerinnen und Bowlern ist es, bei jedem der zwölf Würfe alle zehn Kegel umzuwerfen.
Von der Bildungsmaßnahme zur Leidenschaft
Strike nennt man einen solchen Wurf. Neulich hatte Daniela zahlreiche Strikes bei einem Training – "das war schon ganz gut", erzählt sie stolz. Sie hat vor fünf Jahren mit dem Bowlen angefangen.
Gedacht war es eigentlich als begleitende Bildungsmaßnahme ihrer Arbeit in den Stephanus-Werkstätten in Berlin, einer Einrichtung der evangelischen Diakonie für Menschen mit Hilfebedarf.
Daniela arbeitet dort im Cafe. Sie backt Obst- oder Käsekuchen oder verkauft Snacks und Getränke. Rund 130 Menschen sind in der Einrichtung insgesamt tätig, verpacken etwa Dichtungsringe für Autos, tischlern oder arbeiten im Außendienst und montieren Möbel.
Special Olympics offiziell von Olympischem Komitee anerkannt
Seit 1968 gibt es die Sportveranstaltung, die offiziell durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) anerkannt ist.
Gegründet wurden die Special Olympics von der Amerikanerin Eunice Kennedy Shriver, die sich ihr Leben lang für mehr Rechte und Akzeptanz für Menschen mit geistiger Behinderung einsetzte.
Für Sportlerinnen und Sportler böten die Spiele eine Möglichkeit zu zeigen, "was in ihnen steckt", sagt Sport- und Olympiaseelsorgerin Elisabeth Keilmann. Sie könnten "jeden inspirieren, unsere Unterschiede zu akzeptieren und diese als Stärke zu nutzen."
Das Gelände des Ulmenhofs in Wilhelmshagen im Südosten von Berlin ist weitläufig. An diesem heißen Junitag flimmert die Luft, es riecht nach Kiefernwald.
March liebt ihre Eigenständigkeit und Wohnung in Köpenick
Ein backsteinernes Haupthaus aus dem 19. Jahrhundert, hohe Bäume, im Park dahinter kleinere Gebäude. "Ein typisches historisches Anstaltsgelände", sagt Sozialarbeiterin Stefanie Bokino, Betreuerin von Daniela March.
Menschen mit höherem Hilfebedarf als Daniela – etwa mit körperlichen Beeinträchtigungen oder erworbenen Hirnschäden – arbeiten nicht nur, sondern wohnen auch hier. Ein Gedanke, den die Sportlerin für sich weit von sich weist.
Sie liebt ihre Eigenständigkeit, ihre Wohnung in Köpenick und vor allem ihren Balkon.
Hier baut sie Gemüse an: Radieschen, Kartoffeln – "das schmeckt besser als Gekauftes".
Geselligkeit, Bewegung und Selbstbewusstsein
Seit zwölf Jahren arbeitet March in den Werkstätten, zunächst in der Wäscherei, danach im Cafe. "Es ist cool hier, die Gruppenleiter sind nett", sagt die Frau, die viel jünger aussieht als sie ist und für das Gespräch eigens das rote Wettkampf-T-Shirt angezogen hat, dazu eine knielange Hose.
Röcke habe sie bereits als Kind nicht gemocht. "Daniela ist mehr der kernige Typ", sagt auch Stefanie Bokino.
Ziel der Special Olympics ist es, Menschen mit geistiger Behinderung durch den Sport mehr in die Gesellschaft zu integrieren und ihr Selbstbewusstsein zu stärken.
Daniela geht es vor allem um Geselligkeit und Bewegung. Sie fährt fast täglich kilometerweit mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Vorfreude und Siegeswille nach langem Training für Teilnahme
"Bowling macht Spaß und man ist mit Leuten zusammen", findet sie. Dass sie ein wenig mehr Hilfe als andere Menschen in ihrem Leben benötigt, weiß sie – aber "ich laß mir das nicht anmerken".
Für die Teilnahme an den Wettkämpfen wurde sie von ihrem Arbeitgeber freigestellt mit zusätzlichem Urlaub.
Besonders begeistert ist sie von dem Hotel, in dem das Team während der Spiele am Alexanderplatz untergebracht sein wird.
"Das ist ein echtes Highlight", sagt auch Bokino, die weiß, wie sehr sich Daniela seit Wochen darauf freut. Lange hat sie für die Teilnahme trainiert. "Jetzt will ich auch gewinnen", sagt sie.