Der Papst könnte - wenn er es denn wollte - viel mehr für Frauen in der Kirche tun, sagte die Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim im Interview der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" am Donnerstag.
"Auch unter ihm wird aber immer noch die alte Geschlechterpolarität samt den alten Zuschreibungen weitertradiert", fügte Sr. Philppa hinzu. Auch über die Frauenfrage hinaus würden viele neue Erkenntnisse aus Theologie und Sozialwissenschaft "in Rom einfach nicht zur Kenntnis genommen". Äußerungen des Papstes etwa zu Menschenrechten hätten aus Sicht der Ordensfrau eine viel höhere moralische Glaubwürdigkeit, wenn die Kirche mit gutem Beispiel voranginge.
Zugang zu Ämtern sei konsequent
Die Theologin und Politikwissenschaftlerin stellte sich hinter die Reformanstrengungen des Synodalen Wegs in Deutschland und wandte sich dabei gegen das Argument, die "reform(ations)verschrieene Kirche in Deutschland" presche vor. "Es gibt inzwischen zu viele Frauen und Männer in der Kirche und auf der ganzen Welt, die mit diesen alten Mustern nichts mehr anfangen können und wollen." So kämpften Frauen aus allen Kontinenten für Geschlechtergerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft.
Innerkirchlich gehe es darum, dass "Frauen den Zugang zu allen Weiheämtern und zu allen Leitungsfunktionen innerhalb der Kirche erhalten. Und zwar nicht als gönnerhafte Gabe, sondern als Konsequenz dessen, dass Männer und Frauen die gleiche Würde und damit auch die gleichen Rechte haben". Aus Sicht der Ordensfrau ist "die Frau eben doch auch in der Kirche letztlich das starke Geschlecht". Sie sei leidensfähiger und bringe mehr Kraft auf, durch schwere Situationen zu kommen.
Maria als "prophetische Gestalt"
Sr. Philippa forderte zugleich, die "zementierte Deutungshoheit männlicher Kirchenlehrer endlich aufzusprengen". Viele biblische Texte seien durch patriarchale Auslegungen in ein anderes Licht gerückt und Texte uminterpretiert worden, wenn das der Verfestigung alter Machtstrukturen diente. "Aus Frauengestalten wurden Männer, weibliche Protagonistinnen fielen einfach weg oder wurden umbenannt."
In diesem Zusammenhang warb die Benediktinerin auch für ein anderes Marien-Bild. Die eher süßlichen überkommenen Vorstellungen benötigten ein Update. "Maria war keine unterwürfige, duldsame Magd. Sie war eine prophetische Gestalt." Sie habe durchaus politisch gehandelt und im Text des biblischen Magnificat herrschende Machtverhältnisse kritisiert und Partei für die Armen und Unterdrückten genommen. "Deshalb ist es auch nur folgerichtig, wenn sich die Reformbewegung Maria 2.0 heute auf sie beruft."
Viele Schritte der Veränderung
Auf die Frage, ob sie selber angesichts des Reformstaus in der Kirche schonmal einen Anflug von Resignation erfahren habe, sagte Sr. Philippa: "Nein, nie. Ich weiß, es muss sich etwas ändern in unserer Kirche, und die Veränderung muss aus dem Inneren der Kirche selbst kommen. Und sie wird kommen, und das schon sehr bald."
Sie erlebe viele Schritte der Veränderung. "Vielleicht kommen wir dem Geist der Urkirche auch wieder näher, wenn wir versuchen, aus den Trümmern der jetzigen Kirchenstrukturen etwas Neues zu bauen, etwas, was den Menschen wieder Heimat bietet, ihnen Hoffnung und Zukunft schenkt."
Kritik an Missbrauch an Ordensfrauen
"Nicht minder erschüttert mich aber auch der Missbrauch von Ordensfrauen durch kirchliche Würdenträger in anderen Kontinenten", so Schwester Philippa im gleichen Interview. Sie habe von einer Mitschwester aus Afrika gehört, dass "der dortige Bischof sich junge Novizinnen zuführen lässt - in Corona-Zeiten noch einmal mehr, weil er sich da sicherer glaubt, nicht mit dem Virus angesteckt zu werden. Das ist alles unfassbar."
Mit Blick auf Ordensfrauen als Täterinnen sagte Sr. Philippa, sie wolle dies keineswegs relativieren. Allerdings seien manche dieser Taten auch auf dem Nährboden von massiver Überforderung entstanden:
"Ich kenne Klöster, die bis in die 1960er Jahre hinein Kinderheime unterhielten. Dort hatten Schwestern, die pädagogisch in keiner Weise ausgebildet waren, vierzig bis fünfzig Kinder Tag und Nacht alleine zu betreuen. Ich möchte nichts entschuldigen oder gar beschönigen, wohl aber zum Ausdruck bringen, dass unter solchen Umständen die Täterinnen auch oft Opfer des Systems waren."