Katholische Bischöfe dringen auf Lösung der Krise in Belarus

"Die Gewalt hört nicht auf, die Gesellschaft ist gespalten"

Das Regime in Minsk geht seit Sommer mit brutaler Härte gegen die Demokratiebewegung vor. Die selbst betroffene katholische Kirche verlangt ein Ende der Gewalt. Ein Bischof sieht sich unterdessen persönlich in Gefahr.

Autor/in:
Oliver Hinz
Proteste in Belarus / © Uncredited/AP (dpa)
Proteste in Belarus / © Uncredited/AP ( dpa )

Die katholische Kirche in Belarus fordert weiter eine friedliche Lösung der schweren politischen Krise des Landes. Die Bischöfe warben am Mittwochabend für einen "Dialog im Geist der Liebe zu Gott und zu den Nächsten" und für die Einhaltung der Gesetze. Sie verurteilten "Gewalt, Gesetzlosigkeit, Ungerechtigkeit und Unwahrheit"; den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko und seine Regierung erwähnten sie allerdings mit keinem Wort.

Belarus befinde sich im vierten Monat einer "noch nie da gewesenen gesellschaftlich-politischen Krise, die sich leider noch verschlimmert", schrieben die Bischöfe. "Die Gewalt hört nicht auf; es wird weiter Blut vergossen, die Gesellschaft ist gespalten."

Das sei schwer zu glauben, weil das osteuropäische Land eigentlich für seine Toleranz und Harmonie zwischen Menschen verschiedener Konfessionen und Nationalitäten bekannt sei. Sie erinnerten daran, dass Papst Franziskus Mitte September angesichts der Protestbewegungen unter anderem in Belarus "volle Achtung der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten" verlangt habe.

Tägliche Demonstrationen gegen Lukaschenko

Seit der offensichtlich zugunsten Lukaschenkos gefälschten Präsidentenwahl Anfang August gehen in Belarus fast täglich Hunderte Menschen gegen den "letzten Diktator Europas" auf die Straße.

Landesweit fordern sie Neuwahlen und die Freilassung der politischen Häftlinge sowie ein Ende der brutalen Polizeigewalt und Unterdrückung der Demokratiebewegung. Einen Rücktritt lehnt Lukaschenko, der seit 1994 das Land regiert, strikt ab. Sicherheitskräfte nahmen laut Menschenrechtlern bislang mehr als 30.000 Demonstranten fest. Mehrere Regimekritiker wurden getötet.

Die Rolle der Kirchen

Mit Blick auf Lukaschenkos Kritik an der Kirche, sie mische sich in die Politik ein, betonten die Bischöfe jetzt, ihre Hauptaufgabe der Kirche sei die Verkündigung der christlichen Botschaft. Die Kirche erfülle keine staatlichen Funktionen und könne von niemanden für "politische Zwecke" genutzt werden. "Wir bitten die Katholiken und alle Menschen guten Willens, weiter für eine baldige und friedliche Lösung der Krise zu beten". Selig seien "die Friedensstifter und die, die Gerechtigkeit begehren, wie Christus sagt". Das Gute werde das Böse besiegen.

Die Regierung verweigert dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, dem Minsker Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz, seit Ende August die Wiedereinreise nach Belarus. Er wurde von Polen kommend an der Grenze abgewiesen und später sein Reisepass für ungültig erklärt. Der Minsker Weihbischof Juri Kasabutski, der Kondrusiewicz seither in der Hauptstadt vertreten muss, schloss am Mittwoch nicht aus, dass demnächst auch ein Geistlicher oder Bischof "hinter Gittern" komme.

Geistliche unter Druck

Repressalien und Verhöre gingen weiter, schrieb Kasabutski auf Facebook. Es sei möglich, dass gegen ihn und den Sprecher der orthodoxen Kirche des Landes, Sergej Lepin, Strafverfahren eröffnet würden. "Ich bin bereit", fügte er hinzu.

Auf Betreiben Lukaschenkos hatte die Generalstaatsanwaltschaft Kasabutski und Lepin vergangene Woche verwarnt. Die Anklagebehörde warf ihnen vor, gesellschaftliche Spannungen zu schüren, weil sie auf ihren Facebook-Seiten kritisierten, dass Sicherheitskräfte in einem Minsker Wohnviertel Blumen und Grablichter für einen getöteten Regimekritiker beseitigt hatten.

Die Mehrheit der Belarussen sind orthodoxe Christen. Rund zehn Prozent der Bevölkerung gehören der katholischen Kirche an. Lukaschenko kritisierte die katholische Kirche seit der Wahl mehrfach scharf. Er beschuldigte sie unter anderem, Propaganda gegen ihn zu betreiben.


Minsker Erzbischof Kondrusiewicz / © Screenshot (Reuters)
Minsker Erzbischof Kondrusiewicz / © Screenshot ( Reuters )
Quelle:
KNA
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