Viele Katholiken sehen Biden skeptisch

Die Hälfte stimmte für Trump

Fast 60 Jahre nach der Wahl John F. Kennedys schicken die Amerikaner mit Joe Biden wieder einen Katholiken ins Weiße Haus. Während Kennedy damals seine Kirche hinter sich hatte, sind die Gläubigen diesmal gespalten.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Joe Biden hält eine Ansprache / © Andrew Harnik/AP (dpa)
Joe Biden hält eine Ansprache / © Andrew Harnik/AP ( dpa )

In der Nacht seines Triumphs zitiert Joe Biden aus der Bibel. Es gebe für alles seine Zeit, bezieht sich der am Samstag zum Wahlsieger ausgerufene Demokrat vor dem Chase Center in Wilmington auf eine Passage aus dem Alten Testament. "Dies ist die Zeit zum Heilen".

Der Katholik Joe Biden

Der regelmäßige Messgänger beließ es in seiner Siegesrede nicht dabei. Wiederholt kehrte er zu dem Thema Versöhnung zurück und beendete seine Ausführungen mit einer Lebensweisheit. Sein Großvater habe ihm stets ans Herz gelegt, seinem Glauben treu zu bleiben. "Meine Oma trug mir auf, den Glauben zu verbreiten". So oder so passt das Selbstbild des praktizierenden Katholiken, der den Wahltag am 3. November mit dem Besuch der Heiligen Messe begann und stets einen Rosenkranz bei sich trägt, nicht so recht zusammen mit der Karikatur, die seine Gegner von ihm zeichnen.

Konservative Katholiken verübeln Biden seine liberale Haltung zur Abtreibung, die er persönlich ablehnt, aber rechtlich nicht strafbar machen will. Eine Minderheit ging so weit, den katholischen Glauben des irisch-stämmigen Kandidaten infrage zu stellen.

Kirche und Gesellschaft

"Die katholische Kirche in den USA ist so gespalten wie die Politik des Landes", erklärt der Direktor des Zentrums für Religion und Kultur der jesuitischen Fordham University, David Gibson, das angespannte Klima innerhalb der Kirche vor den Wahlen. Die Bischöfe seien gut beraten, die Liebe Bidens zu seiner Kirche nicht infrage zu stellen. "Er verhält sich wie die große Mehrheit der praktizierenden Katholiken in diesem Land."

Tatsächlich besteht zwischen der Lehre der Kirche und den Überzeugungen der Gläubigen bei kontroversen gesellschaftlichen Themen wie Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe ein wachsender Graben. Wobei sich Biden auf der Seite der Mehrheit seiner Glaubensbrüder und -schwestern befindet.

US-Bischöfe gratulieren Biden und Harris

Die US-Bischofskonferenz ließ in ihrer ersten Reaktion keinerlei Zweifel am neuen Staatsoberhaupt erkennen. Biden habe "genügend Stimmen erhalten, der 46. gewählte Präsident der Vereinigten Staaten zu sein", heißt es in einer offiziellen Erklärung der Hirten vom Samstag. "Wir gratulieren Herrn Biden und erkennen an, dass er der zweite Präsident nach dem verstorbenen Präsidenten John F. Kennedy ist, der sich zum katholischen Glauben bekennt."

Ausdrücklich gratulierten die Bischöfe auch der von Konservativen scharf angegriffenen Kamala Harris. "Sie wird die erste Frau sein, die jemals als Vizepräsidentin gedient hat".

Vordenker in der katholischen Kirche der USA wie Stephen Schneck, der vor seinem Ruhestand an der Catholic University in Washington Politologie lehrte und sich im Wahlkampf für Biden engagierte, hoffen auch auf innerkirchliche Heilung. Die Spaltung, die Trump der Gesellschaft gebracht habe, spiegele sich in der Kirche wieder. "Die Wahl Bidens schafft die Möglichkeit eines Neuanfangs", so Schneck.

Gespaltene Meinung

Schwer wird es mit Blick auf die Zustimmung unter den Katholiken laut Nachwahlumfragen in jedem Fall für Biden. Das "VoteCast"-System der Nachrichtenagentur Associated Press macht eine glatte Spaltung der katholischen Stimmen aus. 50 Prozent gingen demnach an Trump, während 49 Prozent auf Biden entfallen.

Schneck ist davon überzeugt, dass es neben dem Thema Abtreibung nicht zu viele Reibungspunkte zwischen der Kirchenführung und Biden geben wird. "Er bietet sich als verlässlicher Partner der Bischöfe bei den Themen soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Frieden an." Dies sind alles auch Schwerpunkte von Papst Franziskus.

Kritik von konservativen US-Katholiken

Die Kritik an Biden unter konservativen US-Katholiken bleibt dennoch massiv. Raymond Arroyo vom einflussreichen Sender EWTN verstieg sich sogar zu der durch nichts belegten Behauptung, die Amerikaner "werden vielleicht niemals das Ausmaß des Wählerbetrugs in diesen Wahlen wissen." So argumentiert auch "CatholicVote", eine Lobby-Gruppe für Trump, die "eine Wolke der fehlenden Legitimität" über Biden ausmacht.

Sicher sind dies extreme Stimmen, aber die Skepsis in der gespaltenen katholischen Wählerschaft ist groß. Oder wie es der Chef der Organisation Faith in Public Life Action, John Gehring, ausdrückt: "Es gibt weder ein Dekret noch eine Enzyklika, die diese Ansichten ändert."


Quelle:
KNA
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