Als am 8./9. Mai 1945 die Wehrmacht kapitulierte, lag Europa in Trümmern. Besonders die Deutschen standen aber auch vor den Trümmern eines moralischen Zusammenbruchs: Nazi-Deutschland hatte die Welt mit Krieg überzogen und war für unsagbare Verbrechen verantwortlich - ganz zu schweigen von der Schoa, dem Massenmord an den Juden.
Das Ansehen der katholischen Kirche in Deutschland allerdings war groß: Für viele erschien sie als "Siegerin in Trümmern", die nicht durch Kollaboration mit den Nazis diskreditiert war.
Göttliche Prüfung und Strafgericht
Dabei ließ sich nicht leugnen, dass auch viele Katholiken große Schuld auf sich geladen hatten. Schon kurz nach Kriegsende beklagten einzelne Bischöfe NS-Verbrechen in Hirtenbriefen, verwiesen aber zugleich auf das Leid der Deutschen und warnten vor Rache. Die Rolle der Institution Kirche thematisierten die Bischöfe nicht.
Dabei war ihre Kriegsbegeisterung durchaus gering gewesen. Einzig der Münsteraner Bischof Clemens August von Galen rechtfertigte den Überfall auf Polen mit dem "ungerechten Gewaltfrieden" von 1918. Die Bischöfe beteten weniger für den Sieg, öfter aber um einen Frieden zum Wohl Deutschlands, analysiert der Tübinger Kirchenhistoriker Andreas Holzem. Und sie sprachen von göttlicher Prüfung und Strafgericht.
Bischöfe sprachen Krieg einen Sinn zu
Während Holocaust und Vernichtungskrieg alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten, dachten die Bischöfe noch in den alten Kategorien vom gerechten Krieg und der Treue zur von Gott gesetzten Obrigkeit. Dadurch sprachen sie dem Krieg einen Sinn zu. Selbst der Terror gegen das - katholische - Polen führte nur zu verklausulierten
Protesten.
Zu riskant schien eine Konfrontation mit dem Regime. Zustimmung bei einigen Bischöfen fand der Angriff auf die Sowjetunion: Kommunismus und Nationalsozialismus galten gleichermaßen als als Folge einer gottlos gewordenen Welt..
Viele Priester ins KZ gebracht
Ob gewollt oder nicht: "Die Kirchen waren tragender und stützender Teil der Kriegsgesellschaft", sagt der Historiker Christoph Kösters von der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn. 1943 dienten rund 3.400 kirchliche Einrichtungen kriegsbedingten Zwecken, zwei Drittel aller Ordensfrauen erfüllten kriegswichtige Aufgaben, vor allem in der Krankenpflege. Auch durch den Einsatz von Zwangsarbeitern und die Militärseelsorge von 650 Feldgeistlichen stabilisierte die Kirche die Kriegsgesellschaft.
Andererseits zeigten Katholiken Distanz und Widerstand: In katholischen Milieus blieben religiöse Traditionen lebendig. Über 400 Priester wurden zwischen 1933 und 1945 in ein KZ gebracht, 107 kamen dort zu Tode. 63 weitere Priester wurden hingerichtet oder ermordet.
Papst Pius Xll. lobt kirchlichen Widerstand
Galen protestierte 1941 öffentlich gegen die Vernichtung vermeintlich "lebensunwerten Lebens". Im sogenannten "Dekalog"-Hirtenbrief vom August 1943 erinnerten die Bischöfe daran, dass es unrecht sei, Unschuldige zu töten, auch wenn es durch die Obrigkeit geschehe - wie im Falle der "Menschen fremder Rassen und fremder Abstammung".
Nach Kriegsende konnte die katholische Kirche - anders als die deutschen Protestanten - mit der Fuldaer Bischofskonferenz an bestehende Strukturen anknüpfen. Bereits im Juni 1945 lobte Papst Pius XII. öffentlich den Widerstand der Kirche und zählte sie zu den Verfolgten des Regimes. Den Nationalsozialismus bezeichnete er als ein "satanisches Gespenst".
Kirche habe "Volksgenossen fremden Stammes" beschützt
Die Bischofskonferenz lobte im ersten Hirtenwort vom 23. August 1945 "die unerschütterliche Treue", mit der Klerus und einfache Gläubige zur Kirche gestanden hätten. Das katholische Volk habe sich in großem Ausmaß vom "Götzendienst der brutalen Macht freigehalten"; viele hätten "nie und nimmer ihre Knie vor Baal gebeugt".
Die Bischöfe bekannten sich zu Verbrechen in deutschem Namen, ohne aber den Genozid an Millionen von europäischen Juden klar zu benennen. Andererseits aber wurde der Widerstand der Katholiken betont: Sie hätten sich nicht gescheut, "Volksgenossen fremden Stammes zu beschützen, zu verteidigen, ihnen christliche Liebe zu erweisen", hieß es.
Einheitliche Linie der Bischöfe
Selbstkritische Positionen einiger Bischöfe verschwanden nach der öffentlichen Rückendeckung durch den Papst. Stattdessen verfolgten die Bischöfe seit Sommer 1945 eine einheitliche Linie: Rechristianisierung, Abwehr der Kollektivschuld und Wächteramt der Kirche gegenüber der Politik.
Erst Ende der 50er Jahre geriet das Bild einer geschlossenen katholischen Abwehrfront gegen die Nazis ins Wanken.