Etwa 40.000 Menschen hat Hissene Habre vermutlich auf dem Gewissen. Von 1982 bis 1990 regierte der Diktator im Tschad, ließ seine Gegner verhaften, foltern und ermorden. "Afrikas Pinochet" nannte ihn die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" damals. 1990 wurde Habre von Rebellen gestürzt. Seitdem lebt er im Senegal, weitgehend unbehelligt. Zur Rechenschaft gezogen wurde der Ex-Diktator nie.
Als Studentin war Moudeina vor dem Bürgerkrieg und der beginnenden Diktatur in den Kongo geflohen. Dort studierte sie Jura, wurde Rechtsanwältin. "Die vielen Waisenkinder, die ich nach meiner Rückkehr überall im Land gesehen habe, haben mich bestärkt, den Kampf gegen Habre aufzunehmen." Auch Jacqueline Moudeina war ein Waisenkind: Ihre Mutter starb, als sie elf war, ihren Vater hat sie nie gekannt. "Die Gesichter dieser Kinder waren meine Motivation."
"Ich bin mit dem Kampf im Blut geboren"
Zunächst versucht Moudeina, den Diktator im Senegal vor Gericht zu stellen. Doch der politische Druck seiner Anhänger ist zu stark: Zwar wurde Habre unter Hausarrest gestellt. Doch die senegalesische Justiz erklärt sich für unzuständig. Moudeina wendet sich daraufhin an Belgien, das über ein sehr elaboriertes Völkerstrafrecht verfügt. Ein Untersuchungsrichter ermittelt im Tschad - und nach vier Jahren reichen seine Ergebnisse, um Habre wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Genozids und Kriegsverbrechen anzuklagen. Einige Opfer besitzen die belgische Staatsangehörigkeit und sind bereit, gegen Habre auszusagen. Doch der Senegal weigert sich weiterhin, den Ex-Diktator auszuliefern.
Jacqueline Moudeina trifft das nicht. "Ich bin mit dem Kampf im Blut geboren", sagte die Anwältin, als sie kürzlich auf Einladung der kirchlichen Hilfswerke "Misereor" und "Brot für die Welt" zu Gast in Berlin war. Seit mehr als elf Jahren wird ihre Organisation ATPDH finanziell von Christen aus Deutschland unterstützt.
Neben der Verfolgung des Ex-Diktators engagiert sich die Protestantin Moudeina etwa dafür, dass Kinder im Süden des Landes von ihren Eltern nicht länger als Viehhirten verkauft werden, und sie leistet Aufklärungsarbeit gegen die Beschneidung von Frauen. Einen Gerichtsprozess gegen Habre herbeizuführen, bleibt der tschadischen Menschenrechtlerin ein Herzensanliegen, für das sie sogar das eigene Leben riskiert: 2001 verüben Anhänger des Ex-Diktators mit einer Handgranate einen Anschlag auf die Anwältin, den sie mit schweren Verletzungen überlebt.
Zwei weitere Preisträger
"Der Alternative Nobelpreis wird die Sichtbarkeit meiner Arbeit erhöhen", sagt Jacqueline Moudeina. "Er könnte ein Schlüssel sein für Türen, die den Zugang zu finanziellen Mitteln und neuen Kontakten öffnen." Alle Menschenrechtler im Tschad wüssten nun, dass ihre Arbeit wenn schon nicht im eigenen Land, dann doch wenigstens im Ausland anerkannt werde. "Aber klar ist auch: Die Verbrecher, Folterer und Mörder leben noch im Tschad", sagt Moudeina. "Und sie warten nur auf eine Gelegenheit, mich zum Schweigen zu bringen." Die aber werde sie ihnen nicht bieten.
Am Montag erhält Moudeina den Alternativen Nobelpreis. Moudeina werde für "ihren unermüdlichen Einsatz" für die Opfer der Diktatur im Tschad und für die Menschenrechte in Afrika geehrt, begründete die Jury ihre Entscheidung. Vergeben wird die Auszeichnung von der Right-Livelihood-Stiftung. In den vergangenen Tagen war Moudeina auf Einladung der kirchlichen Hilfswerke "Misereor" und "Brot für die Welt" in Berlin. Ebenfalls geehrt werden die US-Hebamme Ina May Gaskin und die internationale Organisation Grain, die sich für die Rechte von Kleinbauern einsetzt.
Die Menschenrechtsanwältin Moudeina erhält Alternativen Nobelpreis
Die Jägerin des Diktators
Jacqueline Moudeina ist Präsidentin der tschadischen Menschenrechtsorganisation ATPDH. Seit Jahren versucht sie, den ehemaligen Diktator Hissene Habre vor Gericht zu stellen. Für ihr Engagement erhält sie am Montag den "Right Livelihood Award", den Alternativen Nobelpreis.
Share on