Jüngst dominierten Bilder von Aggression und Gewalt, wenn es um das Verhältnis von Juden und Muslimen in Deutschland vor dem Hintergrund des Konflikts in Nahost ging. Damit es erst gar nicht soweit kommt, gibt es hierzulande Initiativen, die sich um friedliche und respektvolle Beziehungen bemühen. Sie bieten Vorträge, Projekte und Workshops für Schüler und Erwachsene an, Gedenkstättenbesuche oder Begegnungen zwischen Sportlern und einzelnen Berufsgruppen.
Erst kürzlich wandte sich ein Bündnis aus 22 jüdischen, muslimischen und gemeinsamen Organisationen und Einrichtungen in einem Offenen Brief gegen Antisemitismus - und antimuslimischen Rassismus: "Wir haben viel investiert, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, um dadurch auch vor Fragen nicht zurückzuschrecken, die uns gegenseitig irritieren und befremden. Diese Fragen sind mit komplexen historischen Dynamiken verwoben, die Leid und Traumata beinhalten. Wir haben gelernt, Differenzen auszuhalten, auch wenn dies nicht immer leicht fällt."
Konflikte austragen - aber mit Respekt
Zu den Unterzeichnern gehört auch die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) in Berlin. "Wir wollen zeigen: Die Welt ist komplex. Man kann nicht immer eine Antwort auf alle Fragen haben, und es ist nicht immer alles Schwarz und Weiß", erklärt Fadl Speck, einer der Projektleiter. "Der Konflikt in Nahost ist ein hochaufgeladenes Thema." In Workshops würden Schülern oder Erwachsenen Fakten und vielfältige Informationen vermittelt, damit sich eindimensionale Sichtweisen weiteten.
"Da setzen viele Aha-Effekte ein", erklärt Speck. "Ein erhobener Zeigefinger bringt nichts." Die Jugendlichen könnten auch von eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung berichten. Der Projektleiter erzählt von Äußerungen, die "problematisch und grenzüberschreitend" seien. "Wir setzen da ein Stoppsignal, schließen die betreffende Person aber nicht aus, denn sonst verlieren wir sie komplett." KIgA wolle zeigen, dass gegensätzliche Meinungen zu einer Demokratie gehörten - und dass Konflikte mit Respekt ausgetragen werden müssten.
Projekt "Schalom Aleikum" vom Zentralrat der Juden in Deutschland
Gewalt und antisemitische Parolen seien "dramatisch". KIgA erreichten im Moment jede Menge Anfragen von Pädagogen. "Das wird uns noch weiter begleiten." Die Initiative mit einem Team aus Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit wendet sich mit ihren Angeboten an alle gesellschaftlichen Schichten und Milieus in Deutschland. Für ihr Engagement bekam sie unter anderem die Buber-Rosenzweig-Medaille. "In der Regel machen die Jugendlichen bei uns mit", so Speck.
Ein weiteres Projektbeispiel ist das bundesweite "Schalom Aleikum" des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Ziel ist der Austausch von Menschen wie du und ich", sagt der Geschäftsführer des Zentralrats, Daniel Botmann. Menschen, die ein antisemitisches Weltbild verträten oder sich gar bereits mit judenfeindlich motivierten Delikten strafbar gemacht hätten, seien nicht die Zielgruppe. Das Projekt setze mit seinen Begegnungen auf Prävention.
Den Nahostkonflikt im Geschichtsunterricht thematisieren
"Es wirkt Vorurteilen entgegen, wenn man sich kennt", so Botmann. Zuschauer von Podien, die in der Corona-Pandemie gestreamt werden, könnten sich möglicherweise mit den Teilnehmern identifizieren. Die Hoffnung sei auch, dass der ein oder andere seine Erfahrungen mit Menschen aus der muslimischen Gemeinschaft teile. So habe es schon Rückmeldungen gegeben, dass Leute sagten, sie hätten bislang immer andere Vorstellungen von Juden gehabt. "Das stimmt mich zufrieden."
Burak Yilmaz aus Duisburg ist Pädagoge und betreut das Projekt "Junge Muslime in Auschwitz". "Wir müssen die Stimmen stärken, die sich gegen Antisemitismus und Rassismus engagieren", sagte er kürzlich der "Welt". Wichtig sei zudem ein fundierter Geschichtsunterricht, in dem auch der Nahostkonflikt erklärt werde, weil sich sonst Jugendliche in Soziale Medien zurückzögen, um Antworten zu finden - Komplexität werde dort jedoch nicht vermittelt.
Interesse am Projekt ist groß
Angesichts jüngster Demonstrationen betonte Yilmaz, dass Menschen, die sich mit Palästinensern solidarisch zeigen oder das Handeln der Regierung Israels kritisieren wollten, nicht mit Leuten mitlaufen dürften, die zu Vernichtung aufriefen.
"Das ist ein ganz klarer Unterschied. Aber bei den Demos vermischt sich das dann." Das Interesse an dem Projekt "Junge Muslime in Auschwitz" sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. "Mein Ansatz ist: Die Schoah ist auch deine Geschichte."