DOMRADIO.DE: Warum machen Sie eine Prozession, wenn fast alle anderen absagen?
Wolfgang Picken (Bonner Stadtdechant): Wir haben hier in Bonn ja regelmäßig andere Demonstrationen, wir hatten Fridays for Future vor kurzem und die linke Bewegung, die sehr diszipliniert für ihre Sache auf der Straße eingetreten sind.
Und da dachten wir uns, eigentlich können wir das - diszipliniert durch die Straße ziehen - auch als Katholiken an unserem großen Fronleichnamsfeiertag. Das war der Auslöser zu checken: können wir das machen und wie können wir es realisieren. Jetzt sind wir eigentlich ganz froh, dass wir schon sehr früh die Entscheidung getroffen haben, dass wir die Prozession durch die Stadt durchführen.
DOMRADIO.DE: Wie wird das ablaufen?
Picken: Zunächst einmal haben wir um 10 Uhr in der Kirche St. Remigius im Klostergarten, den die Franziskaner früher betrieben haben, den Open-Air-Gottesdienst. Und von dort aus ziehen wir durch die Innenstadt, durch einige Straßen. Die Prozession ist nicht so lang und so groß wie wir sie von anderen Städten, wie in Köln beispielsweise, kennen.
Und dann mündet die Prozession - da wird darauf geachtet, dass die Leute den Abstand halten und den Mundschutz tragen - im dann für diesen Zweck wiedereröffneten Kreuzgang des Bonner Münsters.
DOMRADIO.DE: Das Bonner Münster ist ja seit Jahren schon wegen Renovierungsarbeiten für die Öffentlichkeit geschlossen. Wieso haben Sie es jetzt gerade zu Fronleichnam für diese eine Prozession wieder aufgemacht?
Picken: Wir haben geplant, dass wir Stück für Stück jetzt in diesem Jahr die Kirche, das Münster wieder für die Öffentlichkeit öffnen und zugänglich machen. Der erste Abschnitt ist jetzt fertig - der Kreuzgang. Und da war die Frage, was ist ein schöner Anlass, um ihn der Gemeinde und den Bonnern zurückzugeben? Das ist ja für uns so etwas wie die Seele, das geistliche Zentrum, der Mittelpunkt der Stadt.
Dieser Arkadengang aus dem 12. Jahrhundert, der älteste Kreuzgang diesseits der Alpen, der aus dieser Zeit erhalten ist, und er ist eben gerade fertiggestellt, dieser Teil der Renovierung. Der Garten innen ist neu angelegt mit biblischen Pflanzen, es ist ein ganz besonderes und schönes Bild.
Und es könnte eigentlich nicht schöner sein, als dass zu Fronleichnam der erste, der in diesem Kreuzgang einzieht, Christus selbst in der Eucharistie ist. Um das auch wirklich zu einem geistlichen Ort wieder für die Menschen werden zu lassen, indem sie Christus begegnen können.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade schon angedeutet, das ist ein ganz besonderer Kreuzgang, der älteste romanische nördlich der Alpen, jetzt mit dem besonderen Garten angepflanzt. Was hat sich da in den vergangenen Jahren getan und warum ist das so ein wichtiger Ort für Sie?
Picken: Es ist nicht nur für mich, sondern es ist für die meisten Bonner ein wichtiger Ort. Der liegt ja wirklich im Zentrum, im Knotenpunkt der Stadt, wird von vielen aufgesucht, denn es ist wirklich wie eine Verwandlung.
Sie kommen von dieser lärmigen Stadt, aus der Innenstadt, aus der Fußgängerzone durch den Gang in den Kreuzgang und sie haben plötzlich den Eindruck, in einer völlig anderen Welt zu stehen. Erst mal ist überhaupt nichts mehr von dem Lärm zu hören. Das ist schon ein Wunder.
Und dann sind sie in diesem Garten, in diesem Kreuzgang, der durch seine geometrischen Formen und durch seine jahrhundertelange Geschichte - geistliche und meditative Geschichte - förmlich dazu einlädt, zu sich selbst zu finden und in das Gebet auch zu kommen. Und von daher freuen wir uns sehr, dass wir diesen geistlichen Ort, auf den die Bonner lange haben verzichten müssen, jetzt wieder zur Verfügung stellen können.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es mit der Anmeldung aus? Ist das wieder nur eine begrenzte Zahl von Menschen, die daran teilnehmen können?
Picken: Nein. Zunächst natürlich haben wir in dem Garten, indem wir die Messfeier beginnen, um 10 Uhr eine Begrenzung. Das sind, glaube ich, gut 300 Leute, die in den Garten passen, der sehr, sehr groß ist.
Parallel wird es erstmals am Bonner Münster wieder einen Gottesdienst für Kinder und Familien geben, ein Wortgottesdienst, die dann später zur Prozession, zu der anderen Gottesdienstgemeinde hinzu treten. Dann ziehen wir durch die Stadt und dann muss man eben nur beim Reingehen in den Kreuzgang darauf aufpassen, dass nicht zu viele gleichzeitig da drin sind.
Aber es ist ja alles an freier Luft in der Öffentlichkeit, nicht in geschlossenen Räumen. Und von daher ist das auch mit der Stadt abgesprochen, sind Infektionsrisiken - wenn wir aufpassen, die Leute die Masken tragen und die Abstände waren - gering.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.