DOMRADIO.DE: Das Militär begründet diesen Putsch mit Wahlbetrug. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Nadim Ammann (Leiter der Diözesanstelle Weltkirche im Erzbistum Köln): Die Situation in Myanmar ist schon immer schwierig gewesen, weil die Militärdiktatur ja nie wirklich die Macht abgegeben hat. Das Militär hat immer eine große Rolle in dem Land gespielt und sich in der Verfassung Plätze im Parlament sichern lassen und bestimmte Ministerplätze waren dem Militär vorbehalten. Man kann schon sagen, das Militär hatte auf mehr gehofft. Es ist aber nicht mehr geworden.
Die Burmesen lieben ihre Ikone und haben bei der Wahl für sie gestimmt. Das konnte dem Militär so nicht passen. Von daher glaube ich schon, dass das Militär hier nach einer anderen Möglichkeit für sich gesucht hat. Und zehn Jahre – das ist wirklich keine lange Zeit. Aus diesem Grund war alles, was da bisher aufgebaut worden ist, was nicht sehr viel ist, noch sehr fragil. Insofern war das eine leichte Sache für das Militär, gestern zu putschen.
DOMRADIO.DE: Das neue Parlament sollte ja gestern überhaupt erst zu seiner ersten Sitzung wieder zusammenkommen. Daraus ist nichts geworden. Weiß man etwas über den Verbleib der geputschten Regierung?
Ammann: Tatsächlich weiß man eigentlich gar nichts. Der Verbleib von Aung San Suu Kyi ist unbekannt. Ich denke, in den nächsten Tagen wird sie irgendwo auftauchen – und hoffentlich dann wieder im Hausarrest sein und nicht irgendwo in einem Gefängnis. Also, man kennt es jetzt nicht so, dass da die Widersacher umgebracht werden. Ich denke, dass das eher in diese Richtung geht – ähnlich wie es schon mal war. Sie saß ja schon einmal 15 Jahre in ihrem Haus fest und das würde vermutlich eher in diese Richtung gehen.
Was natürlich nicht außer Acht zu lassen ist, ist die Reaktion des Westens. Gerade die neue US-Administration, die sich für die Demokratie in den USA stark macht, wird auch da ganz stark einfordern, dass man bei den demokratischen Reformen bleibt.
DOMRADIO.DE: Sprechen wir über Reaktionen in Myanmar. Mit Sorge und Protest reagieren auch katholische Stimmen auf diesen Militärputsch. Kardinal Charles Bo hat zum Beispiel schon vor ein paar Tagen gewarnt vor einer großen Eskalation. Und er hat gesagt, eine militärische Lösung führe immer nur zu Krieg und Elend. Wird seine Stimme nicht gehört?
Ammann: Ja und nein. Charles Bo ist natürlich eine wichtige und anerkannte Person in Myanmar. Der Papst hat ihn mit seiner Kreierung zum Kardinal natürlich auch noch einmal befördert und auch damit zum Ausdruck gebracht, wie wichtig das ist, dass dort ein Kardinal der Weltkirche sitzt. Hinzu kommt, dass Charles Bo auch Vorsitzender der Asiatischen Bischofskonferenz ist. Er hat also schon eine Stimme.
Im Land muss man allerdings auch sagen: Die Katholiken machen keine Million aus. Das sind vielleicht so 700.000 Katholiken. Sie sind einfach eine Minderheit und das Militär wird sich da nicht arg viel um die christliche Meinung scheren. Nichtsdestotrotz ist Charles Bo bekannt dafür, dass er was sagt, dass er sich einsetzt und die Beziehungen, die er hat, auf jeden Fall ja einsetzen wird.
DOMRADIO.DE: Das Erzbistum Köln hat ja auch Beziehungen zu Myanmar, unterstützt zum Beispiel die Ausbildung von jungen Priestern dort. Wie erleben Sie die Katholiken in dem Land?
Ammann: Was mir aufgefallen war 2016, im Vergleich zu meiner ersten Reise, war, dass man die Öffnung, also die Demokratisierung, die Möglichkeiten durchaus wahrnehmen konnte. Das zeigte sich insofern, als dass einfach ein Internetzugang vorhanden war, dass viele ein Handy hatten, dass soziale Medien genutzt worden sind. Das ist alles etwas, mit dem jetzt die Jugend der letzten zehn Jahre aufgewachsen ist. Und das ist etwas, was möglicherweise jetzt auch wieder genommen wird. Das möchten diese jungen Menschen mit Sicherheit nicht. Von daher bin ich auch gespannt, wie sich das weiter entwickelt. Man kann nur wünschen und für die Burmesen beten, dass das Ganze nicht eskaliert und nicht zu einem kriegerischen Konflikt wird.
Das Interview führte Verena Tröster.