"Besonders hat mich das Schicksal der Landarbeiter getroffen - unter ihnen viele Migranten -, die auf den Feldern in Italien arbeiten. Leider werden viele von ihnen stark ausgebeutet."
Es waren wohl nicht nur Briefe und Appelle von Gewerkschaftsvertretern zum 1. Mai, die den Papst zu seinem Appell am Mittwoch veranlassten. Denn zur gleichen Zeit beriet jenseits des Tibers Italiens Koalitionsregierung bereits über die Regulierung von Schwarzarbeit im Land.
Konkret geht es um 550.000 bis 600.000 Menschen, die meisten aus Osteuropa und Afrika. Je ein Drittel etwa pflanzt und erntet auf Italiens Feldern Obst und Gemüse, schuftet auf Baustellen oder im Tourismus oder pflegt Menschen in Privatwohnungen und Heimen. Ihr Aufenthalt im Land ist streng genommen illegal; einen Arbeitsvertrag haben sie nicht. Gleichwohl braucht das Land dringend die Arbeit jener, die in der aktuellen Krise besonders gefährdet sind.
Vor allem Tagelöhner in der Landwirtschaft hausen oft in unwürdigen Baracken. Seit Jahren gibt es Schlagzeilen, weil Hütten abbrennen oder Arbeiter drangsaliert und ausgebeutet werden. Die Schutzmaßnahmen gegen eine Corona-Infektion sind vielfach völlig ungenügend.
Dass der Status der sogenannten Unsichtbaren geregelt werden muss, darüber sind sich die Minister der Regierung Conte II einig.
Gestritten wird über die Zahl der Menschen, deren Aufenthalt man legalisieren will - 300.000 oder 600.000 - und die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung: sechs Monate mit einmaliger Verlängerung, weniger oder mehr?
Landwirtschaft fehlen Arbeitskräfte
Vor allem geht es darum, die Arbeiter dem Einfluss ausbeuterischer Jobvermittler und Mafiosi zu entziehen. Sollten die Maßnahmen nicht weit genug gehen, drohte Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova bereits mit Rücktritt. "Ich war Landarbeiterin", sagte die 61-jährige Ex-Gewerkschaftlerin zögernden Ministerkollegen. Daher lasse sie "die Fremden nicht in Ghettos, wo sie schutzlos auf dem Feld arbeiten und leichte Beute von Ausbeutern werden".
Zurzeit fehlten Italiens Landwirtschaft rund 200.000 Arbeitskräfte, klagt der Präsident des Agrarverbandes Confagricoltura, Massimiliano Giansanti, im Interview des "Messaggero". Wegen des Lockdown könnten sie ihre Heimatländer wie Marokko, Indien oder in Osteuropa nicht verlassen. Viele regelmäßige Saisonarbeiter kennen ihre Betriebe in Italien gut und beherrschen die teils sehr spezielle Arbeit dort.
Großbritannien und Deutschland hätten das Problem besser und schneller gelöst, so Giansanti.
Mit der anstehenden Öffnung von Baustellen in Phase zwei der Pandemie werden Regelungen zur Rekrutierung von Arbeitskräften auch in diesem Sektor dringlicher. Ebenso im Pflegebereich. So ist nach Aussage des Haushaltshilfen-Arbeitgeberverbandes Assindatcolf der Zuzug von Nicht-EU-Arbeitskräften seit rund zehn Jahren ohnehin stark beschränkt. Es sei daher dringend nötig, die unsichere Lage der Kräfte im Land zu regeln.
Bischofskonferenz legt nach
Kurz nach dem Papstappell am Mittwoch legte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, nach. Es gebe mindestens 600.000 Menschen, von denen viele auf den Feldern oder in der Pflege arbeiteten und die "aller Rechte beraubt" seien. "Wir fordern die Regelung ihrer Verhältnisse", so der Kardinal. Es war nicht das erste Mal. Mitarbeiter von Pfarrgemeinden, der Caritas und anderer Verbände klagen seit Jahren über die Zustände im Schwarzarbeitssektor.
"Zwar sind alle von der Krise getroffen, aber die Würde des Menschen muss immer respektiert werden", sagte der Papst zum Abschluss seiner Generalaudienz am Mittwoch. Die Würde der Menschen und ihrer Arbeit wieder in den Mittelpunkt zu stellen, dafür solle die aktuelle Krise als Chance genutzt werden.
Ob und wie sehr die Chance ergriffen wird, zeigt sich in den nächsten Wochen und Monaten auch daran, wie viele "Unsichtbare" und ihre Arbeitgeber das geplante Angebot der Regierung nutzen und sich melden. Um Strafen zu entgehen - aber auch, um womöglich in die Mühlen der Bürokratie zu geraten.