Der vielfach gescholtene, aber offenbar von der Leserschaft des Jubilars äußerst geschätzte Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki steht dem Festgottesdienst am 9. September in Würzburg vor. Es konzelebrieren Erzbischof Georg Gänswein, derzeit ohne Amt, sowie die Bischöfe Rudolf Voderholzer aus Regensburg und Stanislaw Szyrokoradiuk aus dem ukrainischen Odessa, das anhaltend von russischen Raketen beschossen wird.
Zu einer Podiumsdiskussion über "Frau in der Kirche" hat sich die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz angesagt, Schwester Anna Mirijam Kaschner. Der Springer-Journalist Alexander von Schönburg soll sich als Festredner eine halbe Stunde lang dem Thema "Die Tagespost - Wundersam oder wunderbar?" widmen.
Ob es ein Wunder war, dem die Zeitung ihre Rettung verdankt?
Ob es ein Wunder war, dem die Zeitung ihre Rettung verdankt? Vor fünf Jahren schrillten jedenfalls die Alarmglocken. Die Auflage war auf wenig mehr als 8.500 Exemplare abgestürzt, das Fortbestehen des Betriebs ernsthaft in Gefahr. Leserspenden und eine Abo-Werbekampagne halfen über diese Klippe hinweg. Wie nachhaltig, muss sich noch zeigen.
Immerhin: Seit vier Jahren liegt die verkaufte Auflage stabil über 10.000 Stück, was schon etwas heißen will mit Blick auf die Zeitungsbranche. Der Nachfolger des Rettungs-Chefradakteurs Oliver Maksan (2016-2021; heute NZZ) ist seit 2021 Guido Horst. Er war schon einmal von 1998-2006 auf dem Posten in Würzburg. Gern hätte er noch 1.000 zahlende Kunden mehr, aber er rechnet zum Jahresende mit einem "leichten Dämpfer", nicht zuletzt wegen der Inflation. Die Zukunft sieht auch der passionierte Printmann im Digitalen.
"Das ist der Königsweg"
Schon jetzt würden die meisten Abos online generiert, sagt er. "Das ist der Königsweg." Im Internet habe die "Tagespost" Bezahlschranken hochgezogen, "wir experimentieren weiter damit". Die Redaktion arbeite mit ganzer Kraft darauf hin, Inhalte digital nicht nur anzubieten, sondern auch zu verkaufen, etwa Dossiers und Themenpakete. Er hoffe, dass es weiter eine gedruckte Ausgabe geben werde, aber die Zeit größerer Zuwächse sei dort vorbei.
Kirchenpolitisch definiert sich die Zeitung als papst- und romtreu - eine Orientierung, mit der sie immer wieder mit der Mehrheit des deutschen Katholizismus in Konflikt getreten ist, doch in letzter Zeit fremdelt sie zuweilen selbst mit dieser Linie. Im Streit um die Beteiligung der katholischen Kirche an der Schwangerschaftskonfliktberatung hatte sie Stellung an der Seite Johannes Paul II. und Joseph Ratzingers bezogen.
Zuletzt positionierte sie sich frühzeitig aufseiten der oppositionellen Minderheit im Synodalen Weg. "Die Tagespost" wurde in den vergangenen Jahren gleichsam bevorzugtes Sprachrohr konservativer Kritiker. Das zeigt sich nun auch in einer ambivalenten Haltung zu aktuellen römischen Entwicklungen.
Kirchenpolitische Schwerpunktsetzung nicht in die Wiege gelegt
Doch eine explizit kirchenpolitische Schwerpunktsetzung war dem Blatt nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Nennt es sich doch im Untertitel "Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur". Man versteht sich dezidiert nicht als Kirchenzeitung, sondern als säkulares Medium, wenn auch klar katholisch inspiriert. Horst weiß noch aus eigenem Erleben, dass für Kirchenberichterstattung etwa in den 1980er Jahren nicht mehr als eine Seite pro Ausgabe reserviert war.
Doch heute versteht sich das Blatt auch darauf, theologische Debatten zu begleiten und konkrete pastorale Projekte der Neuevangelisierung vorzustellen. Regina Einig als Redakteurin des Ressorts "Kirche" gelingt es dabei, auch internationale Impulse, zum Beispiel aus dem französischen und spanischen Sprachraum, für die Kirche in
Deutschland aufzunehmen.
Häufig übersehener Schwerpunkt des Blattes sind Feuilleton und Kultur
Einen häufig übersehenen Schwerpunkt des Blattes bilden jedoch Feuilleton und Kultur. Mit Weite will "Die Tagespost" auf die kulturellen Erscheinungen der Gegenwart blicken, ohne das der katholischen Standpunkt vergessen wird oder den Blick verengt. Zuverlässig kann das Autorenteam des aus Warschau operierenden Feuilletonmachers Stefan Meetschen mit Interviews wie zuletzt mit dem französischen Schriftsteller Michel Houellebecq oder der Schauspielerin Sophie Rois aufwarten.
Der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart, dem Theologen Tomas Halik oder der kürzlich verstorbenen Schriftstellerin Sybille Lewitscharoff begegnet man hier neben katholisch-konservativen Autoren wie dem belgischen Althistoriker David Engels oder dem Literaten Martin Mosebach.
Auch die Kulturberichterstattung, die mit dem Namen des kürzlich in den Ruhestand getretenen Kulturchefs und Philosophen Alexander Riebel verbunden ist, konnte über den vermuteten Leserkreis hinaus Abonennten an die Zeitung binden. Der Protestant und Hegel-Spezialist hat über Jahrzehnte die Kulturkritik hochgehalten und scharfsinnig den Zeitgeist seziert.
In diesem Ressort hat auch der spanischstämmige Berliner und Cineast Jose Garcia seinen Platz. Wöchentlich stellt er analytisch feinsinnig und zurückhaltend neueste Filme bis hin zu aktuellen Netflix-Serien vor und setzt damit einen eigenen "Tagespost"-Akzent in der journalistischen Filmkritik.
Politisch war die "Tagespost" durch die "Neuen Abendländer" geprägt
Politisch war die "Tagespost" in ihren Anfängen durch die "Neuen Abendländer" geprägt, die durchaus kritisch zu einzelnen Aspekten der jungen Bundesrepublik standen und sich für die Idee des "Ständestaats" begeistern konnten. Wenig später versammelte man sich hinter Konrad Adenauer, Franz Josef Strauß und der Wiederbewaffnung; die Ideen der Paneuropa-Union, wie sie der Europapolitiker und Kaisersprössling Otto von Habsburg repräsentierte, wurden politischer Leitfaden bis heute. Für diesen modernen Konservativismus steht vor allem der langjährige Europa-Korrespondent Stephan Baier.
Doch wie viele konservative Katholiken fremdelte die Zeitung seit den 1990er Jahren zunehmend mit dem Kurs der Unionsparteien, als sich diese immer stärker von katholischen Positionen emanzipierten. Insbesondere in Fragen des Lebensschutzes und der Familienpolitik hat die Distanz zu den Unionsparteien zugenommen. Die Zeitung ist auch
Medienpartner des Aktionsbündnis "Demo für alle" um Hedwig von Beverfoerde, das sich unter anderem gegen die Progagierung der "Ehe für alle" gegründet hat und sich auch gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz wendet.
"Deutsche Tagespost" distanziert sich deutlich von der heutigen AfD
Zugleich distanziert sich die vormalige "Deutsche Tagespost" deutlich von der heutigen AfD. Mit ihrem national-völkischen Kurs und insbesondere ihrer EU-feindlichen Ausrichtung habe sich die Partei ins Abseits manövriert, betont Horst. Geschichte sei auch eine positive Sicht auf die russische Orthodoxie, in der man einen Verbündeten im Einsatz für die traditionelle Familie und andere konservative Werte angesichts des modernen Liberalismus sah. Vom ersten Tag an hat "Die Tagespost" den Überfall Putins auf die Ukraine scharf verurteilt. Eine mögliche Regierungsbeteiligung der AfD auf Länder- oder gar Bundesebene hält der Chefredakteur für unvorstellbar.
Und wie geht es personell bei der «Tagespost» weiter? Horst wird im Dezember 68 und hat noch zwei Jahre Vertrag. "Ich könnte mir inzwischen schon andere Dinge vorstellen", sagt der Chefredakteur.