"Meiner Ansicht nach haben wir sehr stark auf das Problem reagiert und setzen uns heute mit ganzer Kraft für das Wohl von Kindern und Jugendlichen in unseren Schulen und Pfarreien ein", sagte Arturo Sosa in einem am Montag veröffentlichten Interview des Portals katholisch.de. "Die Zeit des Vertuschens ist vorbei", betonte der 72-Jährige.
Erst Aufarbeitung und Wiedergutmachung...
"Zunächst haben wir anerkannt, was geschehen ist und detaillierte Aufarbeitungsprozesse in vielen Ländern gestartet, etwa in Deutschland, aber auch in Irland, Kanada, den USA oder in Chile", erläuterte Sosa.
"Uns war dabei wichtig, alles so transparent wie möglich zu tun. Wir haben um Vergebung gebeten und auch Wiedergutmachung geleistet."
...dann Prävention und Transparenz
Jetzt stehe die Prävention von Missbrauch im Fokus, kündigte der Generalobere an. "Wir wollen in unseren Einrichtungen eine 'sichere Umgebung' für alle schaffen, eine 'Kultur des Kindeswohls'.
Das ist leider nicht immer einfach, denn die kulturellen Unterschiede in den einzelnen Ländern sind sehr groß. Uns ist aber wichtig, möglichst bald überall ein hohes Niveau an Prävention und Transparenz beim Thema Missbrauch zu erreichen."
Der von dem Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556) gegründete Jesuitenorden engagiert sich vor allem im Bereich Schulen und Universitäten sowie in der Priesterausbildung, seit einiger Zeit auch in der Medienarbeit.
In Deutschland unterhält der Orden drei Gymnasien, das Canisius-Kolleg in Berlin, das Aloisiuskolleg in Bonn und das Kolleg St. Blasien im Schwarzwald.
Kritik am Ausdruck "Schwarzer Papst"
Den Ausdruck "Schwarzer Papst" sieht Sosa sehr kritisch. "Ich mag diese Bezeichnung überhaupt nicht!", sagte Sosa in einem am Montag auf dem Internetportal katholisch.de veröffentlichten Interview. Die Zuschreibung transportiere das genaue Gegenteil von dem, was der Orden als seinen Auftrag ansehe.
"Man will mit diesem Ausdruck aussagen, dass der Generalsuperior der Jesuiten eine ähnliche Macht hat wie der Heilige Vater. Das stimmt nicht und ich kann es auch nicht akzeptieren, nicht einmal als Witz."
"Es darf keinen zweiten Papst geben"
Jesuiten wollten den Menschen und der Kirche dienen, indem sie sich dem Papst zur Verfügung stellten, betonte Sosa.
"Es darf daher keinen zweiten Papst geben. Wir Jesuiten legen deshalb ein besonderes Gelübde ab, nicht nach kirchlichen Ämtern und Titeln zu streben, auch nicht nach dem Bischofsamt - geschweige denn nach dem Papststuhl."
Papst in erster Linie Kirchenoberhaupt
Auf die Frage, wie sich die Beziehung des Ordens zum aktuellen Papst gestalte, der ebenfalls dem Orden angehört, antwortete Sosa, Papst Franziskus sei in erster Linie Kirchenoberhaupt und nicht Jesuit. "Er hat viele Jahre seines Lebens im Orden verbracht und das hat ihn natürlich geprägt - positiv, will ich meinen", fügte der Jesuitengeneral mit einem Lachen hinzu.
"Es glaubt mir oft niemand, aber ich habe keinen kürzeren Draht zum Papst als andere Ordensobere. Wenn ich mit Franziskus sprechen will, muss ich das genauso wie alle anderen über seinen Sekretär erbitten."
Jesuiten haben viel Zuwachs in Afrika
Der Jesuitenorden verzeichne in Afrika ein stetiges Wachstum. "Das hat auch mit der Bevölkerungsentwicklung in den meisten afrikanischen Staaten zu tun, denn dort gibt es viele junge Menschen", so Sosa.
In Lateinamerika halte sich die Zahl der Jesuiten "sehr stabil"; in Indien lebe derzeit ein Viertel aller Ordensangehörigen, mehr als 4.000 Mitglieder in 21 Provinzen.
"Wenn wir uns allein an den Zahlen orientieren, ist Europa immer noch unser Fokus. Allerdings befinden sich dort auch die ältesten Mitbrüder. Die Berufungen sind in Europa eher wenige, verglichen mit den Zahlen von vor 75 oder 50 Jahren."
Provinzen werden weiter zusammengelegt
In dem Interview nahm Sosa auch Stellung zu der Ende April erfolgten Zusammenlegung mehrerer Jesuitenprovinzen zur neuen Ordensprovinz Zentraleuropa.
"Europa hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer starken politischen Gemeinschaft entwickelt, in der die Kommunikation untereinander viel einfacher ist und Grenzen zunehmend weniger Bedeutung haben. Deshalb ist es für uns nicht mehr so wichtig, unsere Provinzen ausschließlich an Ländergrenzen auszurichten." Auch auf anderen Kontinenten stünden ähnliche Veränderungen an.
Bereits in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) Mitte Mai hatte Sosa sich ähnlich geäußert. Die Jesuiten dürften nicht "in Stillstand verharren"