Forschung: Corona-Krise hat Auswirkungen auf Kirche

"Dienst am Menschen wichtig nehmen"

Ist die Corona-Krise zu einem "Charaktertest" für die Kirche geworden? Theologen an der Universität Bochum haben dazu geforscht. Ihre Ergebnisse teilen sie bei einer offenen Zoom-Konferenz, erklärt Pastoraltheologe Bernhrad Spielberg.

Symbolbild: Digitale Seelsorge in Corona-Zeiten / © Nattapat.J (shutterstock)
Symbolbild: Digitale Seelsorge in Corona-Zeiten / © Nattapat.J ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Warum ist die Corona-Krise auch zu einem Charaktertest für die Kirche geworden?

Prof. Dr. Bernhard Spielberg (Pastoraltheologe an der Universität Freiburg): Sie ist ganz einfach deswegen dazu geworden, weil vieles nicht mehr ging wie vorher. Im März, April waren Gottesdienste nicht mehr erlaubt, da musste man improvisieren. Ganz viele Kindertagesstätten waren betroffen, die mussten zumachen. Und natürlich auch katholische Krankenhäuser waren betroffen. Es ging schlicht und einfach nicht weiter. Und um mal hier Dumbledore zu zitieren aus Harry Potter: Viel mehr als unsere Fähigkeiten, sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind. Und das stimmt eben dann auch für viele Männer und Frauen bei der Kirche, die plötzlich entscheiden mussten und damit auch gezeigt haben, wer sie wirklich sind und wer Kirche letztlich ist.

DOMRADIO.DE: Hat Kirche denn richtig entschieden in den letzten Monaten?

Spielberg: Ich glaube, man kann das so pauschal gar nicht sagen, weil die Kirche einfach ein riesengroßer Laden ist. Und wir haben gerade in den letzten Monaten eher gemerkt, wie unglaublich unterschiedlich das ganze kirchliche Feld ist. Es gab eine Menge Leute, finde ich, gerade vor Ort, die sehr richtig entschieden haben, die mutig waren, die versucht haben, in Kontakt zu kommen mit Leuten. Und es gab ganz viele, die auch diakonische Initiativen gestartet haben. Gleichzeitig gab es, glaube ich, auch Dinge die man so lieber nicht noch mal macht.

DOMRADIO.DE: Sie starten jetzt bei der Zoom-Konferenz mit dem Thema Gesundheit und Pflege. Worüber sollte sich die Kirche denn bei diesem Thema Gedanken machen?

Spielberg: Ganz grundsätzlich - deswegen haben wir das auch bewusst an den Anfang gesetzt - glaube ich, sollte sich Kirche gewahr sein, dass sie genauso wichtig wie ihre Verkündigung eben auch ihren Dienst am Menschen nimmt. Also, dass man Diakonie und Liturgie, wie man das ja fachlich so sagt, nicht gegeneinander ausspielen kann. Kirche ist gerade in einer Zeit, wo wir eben nicht nur mit Worten gefragt sind, einfach mit Taten gefragt.

DOMRADIO.DE: Sie sind Pastoraltheologe. Welche Fragen wirft die Corona-Krise denn für die Entwicklung der Kirche und die Pastoralarbeit, also die Sozialpastoral, auf?

Spielberg: Am Anfang stehen, glaube ich, schlicht Enttäuschungen. Das ist mir so in den letzten Wochen und Monaten deutlich geworden, dass es eine sehr enttäuschende Zeit ist für viele Menschen, die sich bei Kirche engagieren, die Kirche auch sind. Die merken plötzlich, dass Kirche nicht systemrelevant ist. Das ist irgendwie enttäuschend. Kirche ist leer und da ist keiner, der da kommt oder kommen darf.

Gerade Pfarrer haben die Erfahrung gemacht, dass die Hirten schaflos sind, um ein Wortspiel zu verwenden. Diese Enttäuschungen, glaube ich, bergen in sich die Frage, wie wir weiter vorgehen. Die Herausforderung besteht, glaube ich, darin, durch diese Enttäuschungen durchzugehen, sie wirklich anzuerkennen, zu merken, dass wir nicht systemrelevant sind. Dass man nicht einfach so weitermachen kann, wie bisher. Und dann daraus auch die Kraft zu gewinnen, es anders zu machen.

DOMRADIO.DE: Wie kann es denn der Kirche gelingen aus dieser eigenen Krise herauszukommen? Vielleicht auch den Menschen zu sagen: Wir haben ein super Angebot, wir können euch helfen in so einer schwierigen Zeit.

Spielberg: Indem man ehrlich ist. Und indem man sich ehrlich erzählt und sich ehrlich macht, auch miteinander, was man wirklich hat und was man nicht hat. Also gerade die, die jetzt sagen wir haben eine super Botschaft, da frage ich immer, was ist eigentlich diese Botschaft und wie sollen Leute spüren, dass sie wirklich so super ist? Da muss man sich dann schon Gedanken machen. Also da reicht es nicht, sich darauf zurückzuziehen und zu sagen: Ja, es wird schon irgendwie gehen, oder: Wir haben es ja schon länger mit dieser Tour versucht.

Ich glaube, dass wir gerade da nochmal einen ganzen Schritt weiter gehen müssen und uns nicht mehr damit selber vertrösten, dass die Kirche irgendwie eine gute Botschaft hat, sondern dass sie wirklich erst mal wieder die Hörende wird und sagt: Was ist eigentlich diese Botschaft? Denn die Kirche hat ja nicht das Evangelium, sondern sie hat es zu entdecken. Und das ist möglicherweise eine Perspektive, zu sagen, wir gucken auch wo entdecken wir heute eigentlich diese verborgene Gegenwart Gottes, der irgendwie da ist und der sich uns zeigt. Und zwar in der Welt, nicht in unserer Kirche, möglicherweise da auch, wo Menschen heute füreinander einstehen in dieser Krise.

DOMRADIO.DE: Jetzt also diese Zoom-Diskussion "Corona. Ein Charaktertest für die Kirche?". Diese digitale Konferenz, die soll ja auch offen sein für alle. Wie können sich denn die Teilnehmer und Teilnehmerinnen da in die Diskussion einbringen?

Spielberg: Wer mag, der kann sich einfach unter zap-bochum.de reinklicken. Wenn Sie auf die Homepage des ZAB Bochum gehen, dann finden Sie da einen Link und da kann man einfach mitmachen. Das kostet nichts. Und da kann man sich auch reinklicken wenn man sagt, ich interessiere mich jetzt nur für das Thema Familie und Erziehung oder nur für Verkündigungen und Digitalisierung, da kann man sich da zuschalten. Und dann kann man dort die kurzen Beiträge oder Geschichten verfolgen, die eben unsere Expertinnen und Experten mitbringen und man kann sich auch beteiligen im Chat oder live mit einer Frage.


Quelle:
DR