DOMRADIO.DE: Während im ganzen Land demonstriert wird, setzt Präsident Trump nun auf christliche Symbolik, um die Wogen zu glätten. Warum?
Christian Fahrenbach (Freier Journalist in New York): Weil das bisher sehr gut für ihn funktioniert hat. Weil er weiß: Er braucht diese Wählergruppe der, ich sage mal, "Normalgläubigen". Aber er braucht auch die noch entschiedeneren, strenggläubigeren Evangelikalen. Die haben 2016 dazu geführt, dass er die Wahl knapp gewonnen hat. Er weiß: Wenn er diese Gruppe verlieren würde, wäre das eine wichtige Unterstützergruppe weniger. Bisher hat das für ihn ja gut funktioniert, auf diese Basis zuzugehen. Zu dieser Basis zählen eben auch die Gläubigen.
DOMRADIO.DE: Nun gibt es von offizieller Kirchenseite viel Kritik am Gebaren des Präsidenten. Kommt das beim christlichen Wähler anders an?
Fahrenbach: Bei einigen sicher. Vielleicht auch bei den Personen, die zu so einer Kirche gehen würden, wie die, vor der Trump jetzt posiert hat. Die dortige Bischöfin, Mariann Budde hat gesagt, dass sie damit nicht einverstanden war. Es habe keine Vorwarnung gegeben, dass dort Tränengas eingesetzt würde. Sie hat gesagt: Meine Kirche wurde hier als Requisite genutzt. Er hat ja dort auch nicht gebetet. Alles, was er tut, sei Gewalt zu schüren.
Ich glaube, sowas wirkt durchaus bei einer Gruppe von Menschen, die darüber nachdenken: Vielleicht ist das doch jemand, der nicht so sehr die christlichen Werte lebt, wie er uns glauben machen will. Vielleicht ist das hier doch nur ein Publicity-Stunt.
Wird er alle Gläubigen damit verprellen? Werden alle Gläubigen jetzt vor ihm abschwirren? Natürlich nicht. Aber die USA sind immer ein Land, in dem Wahlen entschieden werden von Leuten in der Mitte. Oftmals von sehr kleinen Wählergruppen. Deshalb kann es schon sein, dass es jetzt wieder ein halbes Prozent, oder ein paar Hunderttausend Menschen sind, die er zu einem Wahlsieg bräuchte.
DOMRADIO.DE: Dabei lebt Trump das Christliche ja nicht wirklich: Er ist mehrmals geschieden, er ruft zu Gewalt auf. Wie können das die Wähler mit ihrem Glauben vereinbaren?
Fahrenbach: Darüber gibt es tatsächlich einige Untersuchungen. Das hat damit zu tun, dass die Wähler sehen: Da ist jemand, der zumindest für unsere Ziele kämpft. Also gerade die Evangelikalen sagen, er sei moralisch aufrecht. Das sieht die Gesamtbevölkerung natürlich überhaupt nicht so. Seine Wähler sehen also in ihm einen Verbündeten. Es gibt eine Untersuchung, da haben zwei Drittel der Menschen zu Protokoll gegeben, dass ihre Seite politisch zu den Siegern zählt, seitdem Trump an der Macht ist. Unter Obama haben das nur 25 Prozent gesagt, also deutlich weniger.
Diese Gruppe sieht in Trump einen Erwecker. Das kann man sich in Deutschland oft gar nicht vorstellen. Selbst in einem normalen Buchladen hier gibt es Regalreihen mit Büchern, wie "The christian case for Trump" (dt: das christliche Argument für Trump) oder "God and Donald Trump" (Gott und Donald Trump). Das sind Bücher über Christen und Trump, Gott und Trump, die einfach beschreiben, warum er gewinnen muss, und was für Christen auf dem Spiel steht, falls er verliert. Das ist eine ganz andere Welt, als wir sie in Deutschland oft erleben.
DOMRADIO.DE: Sein voraussichtlicher Konkurrent im Präsidentschaftswahlkampf, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, ist dagegen überzeugt katholisch. Kann der gläubige Christen als Wähler auf seine Seite ziehen?
Fahrenbach: Es wird sich zeigen, wie viele Wähler Biden abziehen kann, die jetzt einfach ermüdet sind. Oder die vielleicht einfach genug von dem Chaos haben, das Trump verursacht. Es gab hier mal den etwas bösen Spruch: Trump ist "Make America great again" und Biden "Make Brunch great again" – also er wäre der Kandidat, der verspricht, dass die Leute wieder gemütlich zum Brunch gehen können, ohne sich über Politik Sorgen machen zu müssen. Ich glaube, das ist auch etwas, das man jetzt hier sehen kann. Also Biden verspricht eben das Gemäßigte, das Staatsmännische. Er hat natürlich auch eine ganz andere Würde.
Ich glaube, was viele der Gemäßigten und auch vielleicht weniger an Politik Interessierten an Biden sehr schätzen, ist: Sie wissen um seine persönliche Geschichte. Er hat in einem Unfall seine Tochter und seine erste Frau verloren. Später, vor einigen Jahren, ist dann sein Sohn an Krebs gestorben. Für sehr viele Wählerinnen und Wähler gibt es dieses Bild: Joe Biden ist jemand, der versteht meinen Schmerz. Der ist durch etwas Ähnliches durch gegangen. Dieses Bild jetzt hervorzurufen, könnte ein Weg für den Biden-Wahlkampf sein, nämlich zu sagen: Einer kümmert sich um euch, versteht euch, dem anderen seid ihr egal.
Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.