Führende deutsche Politiker positionieren sich zum Thema Sicherheitspolitik: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wendet sich beispielsweise gegen die Diskussion über ein Burka-Verbot im Zusammenhang mit Fragen der inneren Sicherheit. Das Thema Sicherheit habe mit Vollverschleierung nichts zu tun, sagte de Maizière am Freitag im "Morgenmagazin" des ZDF. Gleichwohl würden die Innenminister der Union die Burka aus Gründen des gesellschaftlichen Zusammenhalts ablehnen. "Sie passt nicht zu unserem weltoffenen Land", sagte der CDU-Politiker.
Innenminister skeptisch gegenüber generellem Burka-Verbot
"Wir wollen Gesicht zeigen im Umgang miteinander", sagte de Maizière. Daraus ergebe sich das Ziel, rechtlich ein Gebot festzuschreiben, dort sein Gesicht nicht zu verhüllen, "wo es für das Zusammenleben unserer Gesellschaft nötig ist". Als Beispiele nannte er, dass Autofahrerinnen unverhüllt sein sollten. Auch bei Behördengängen zum Einwohnermelde- oder dem Standesamt, im öffentlichen Dienst, an Universitäten und vor Gericht sei eine Verschleierung nicht hinzunehmen. Zu einem generellen Burka-Verbot hatte sich der Innenminister bereits in der Vergangenheit aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken skeptisch geäußert.
Doppelte Staatsbürgerschaft soll nicht infrage gestellt werden
Die Innenminister und -senatoren von CDU und CSU wollen am Vormittag in Berlin eine Erklärung zur Sicherheitspolitik vorstellen. Wie de Maizière sagte, wird darin entgegen einzelner Forderungen die doppelte Staatsbürgerschaft nicht generell infrage gestellt. "Es bleibt bei der bisherigen Rechtslage", sagte er und verteidigte damit den in der großen Koalition mit der SPD erzielten Kompromiss. In einigen Jahren indes sei zu prüfen, ob die Regelung Integration fördert oder hemmt.
EU-Bürger und Migranten aus einer Reihe ausgewählter Staaten können in Deutschland einen Doppelpass besitzen. Für ab 2000 geborene Kinder von Migranten aus der Türkei und anderen Ländern gilt seit Dezember 2014, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen zwei Pässe behalten dürfen. Für früher geborene Kinder gilt meist die sogenannte Optionspflicht: Bis zum 21. Lebensjahr müssen sie einen Antrag zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit stellen.
Laschet und Jäger gegen Burka-Verbot
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) und CDU-Landeschef Armin Laschet halten unterdessen nichts von einem Burka-Verbot. "Eine Burka kann einem missfallen, aber sie hat nichts mit innerer Sicherheit zu tun", sagte Laschet dem Nachrichtenmagazin "Focus". Jäger sagte am Freitag im Deutschlandfunk, die Burka-Debatte sei den Wahlkämpfen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern geschuldet. Die Diskussion habe mit dem Thema innere Sicherheit nichts zu tun. Gleichwohl lehne er persönlich die Burka als Symbol der Unterdrückung von Frauen ab.
SPD-Politiker kritisiert Union-Pläne
Der Bundesvorsitzende der AG Migration und Vielfalt in der SPD, Aziz Bozkurt (SPD), wirft der Union derweil "null Verständnis für unsere Einwanderungsgesellschaft" vor. Die aufgestellte Forderung, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, bezeichnete er als "schwachsinnig". "Was Mehrstaatigkeit mit Terror und innerer Sicherheit zu tun hat, wissen wohl nur die Innenminister der Union", sagte Bozkurt dem Evangelischen Pressedienst (epd).
"Es sind praktische Fragen des Lebens, die die Mehrstaatigkeit nötig machen", sagte der SPD-Politiker. Dabei gehe es beispielsweise um Erbschaften oder die Möglichkeit, den Eltern im Herkunftsland helfen zu können. "Die Lebensrealität vieler Millionen Menschen in Deutschland sind viel komplexer als die Union mit der Diskussion suggeriert."
Bozkurt wirft den Unions-Politikern zudem vor, mit der Forderung nach der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft nur die Menschen mit türkisch-deutschem Pass im Blick zu haben, "obwohl das Thema viele Millionen Deutsche betrifft".
Deutschland ein Land der Migration
Nach den Ergebnissen des Zensus von 2011 haben 690.000 Menschen eine deutsch-polnische und 570.000 eine russisch-deutsche Staatsangehörigkeit. Erst dann folgen mit 530.000 die deutsch-türkischen Bürger. Insgesamt haben nach den Zensus-Ergebnissen 4,3 Millionen Deutsche eine weitere Staatsbürgerschaft.
Deutschland sei schon immer ein Land der Migration gewesen: Im 19. Jahrhundert gab es die Ruhr-Polen, die russische Diaspora nach dem ersten Weltkrieg, die Gastarbeiter, die Geflüchteten der 80er und 90er oder die vielen Familiennachzüge. "Menschen tragen zahlreiche Identitäten mit sich und die Möglichkeit der Mehrstaatigkeit trägt dieser Realität Rechnung", sagte Bozkurt. Eine Abschaffung würde Hunderttausende Deutsche "entwurzeln".
Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit seien wichtiger als Populismus: "Wenn wir keine einfache Lösung für ein Problem, wie den Terror ausgeführt von Einzelpersonen haben, dann muss man das auch nicht vorgaukeln", forderte Bozkurt. "Eine sachliche Einschätzung der Möglichkeiten würde deutlich mehr Ruhe in unsere Gesellschaft bringen, anstatt unnötig weitere Keile den Zusammenhalt zu treiben."
Kanzlerin Merkel bezieht Stellung
Nach ihrem Urlaub und zeitgleich zum Treffen der Unions-Innenminister in Berlin hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Interview ausführlich zur Debatte um Vollverschleierung, Doppelpass und Integration geäußert. "Aus meiner Sicht hat eine vollverschleierte Frau in Deutschland kaum eine Chance, sich zu integrieren", sagte sie in einem Interview der Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (Freitag). Zugleich ließ sie aber offen, ob unterhalb einer bundesweiten Regelung Burka-Verbote möglich seien.
Merkel erklärte, es gehe hier um eine politische und rechtliche Abwägungsfrage, für deren Lösung der Bundesinnenminister ihre volle Unterstützung habe.
Mit Blick auf die Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft sagte Merkel, in dieser Legislaturperiode habe die große Koalition die Entscheidungspflicht für junge Menschen aufgehoben. "Weiter gehen wir nicht, und eine doppelte Staatsbürgerschaft generell zu erlauben, haben wir nicht vor", betonte die Bundeskanzlerin.
Aufruf an Unternehmen
Zugleich rief Merkel die deutschen Untenehmen dazu auf, noch mehr für die Integration im Land zu tun: "Die Wirtschaft zeigt schon viel Engagement, aber es kann noch mehr werden." Es gebe zwar schon viele Betriebe und Unternehmen, "von Handwerk und Mittelstand bis zu den großen Konzernen, die eine Menge für die Integration tun", betonte die Kanzlerin. Trotzdem müsse es noch weitere gemeinsame Anstrengungen geben: "Wenn sich Flüchtlinge über Arbeit in Deutschland integrieren, ist das ein Gewinn für alle."
Zugleich kündigte sie an, zu prüfen, wo bürokratische Regelungen einem schnelleren Einstieg ins Berufsleben im Weg stehen. Hier habe man schon für Asylbewerber und Geduldete, die eine Berufsausbildung antreten, mehr Rechtssicherheit geschaffen, ergänzte Merkel. Sie erhielten für die gesamte Dauer ihrer Ausbildung eine Duldung und hätten damit die Gewissheit, die Ausbildung abschließen und danach eine Arbeit annehmen zu können.
Diese Rechtssicherheit sei auch für die Arbeitgeber ganz wichtig, betonte die Kanzlerin weiter. In vielen Arbeitsamtsbezirken werde auf die Vorrangprüfung verzichtet, um schneller einstellen zu können. Auch der Zugang zur Leiharbeit sei damit verbessert worden: "Uns ist aber jeder Hinweis aus der Praxis willkommen, um noch effektiver werden zu können."