Derzeit werde dazu im Auftrag der Regierung ein "religionssoziologisches Gutachten" erstellt, erklärte eine Sprecherin der Staatskanzlei am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Mit dem Gutachten werde überprüft, ob die Ditib "die tatsächlichen Voraussetzungen" für eine Religionsgemeinschaft erfülle. Bisher liege in dieser Sache lediglich ein Rechtsgutachten vor. Dieses beschreibe die rechtlichen Kriterien, die für eine Religionsgemeinschaft und deren Anspruch auf schulischen Religionsunterricht von Bedeutung seien.
In der Vergangenheit zweifelten die Sicherheitsbehörden und der Landtag an, ob es sich bei dem aus der Türkei gesteuerten und finanzierten Moscheeverband tatsächlich um eine Religionsgemeinschaft handele. Nachdem Anfang dieses Jahres in der Kölner Zentralmoschee des Verbandes eine Islamkonferenz mit führenden Vertretern der radikalen Muslimbruderschaften stattgefunden hatte, forderten Landtagsabgeordnete von CDU, SPD und Grünen den Verfassungsschutz auf, eine Beobachtung des Moscheeverbandes zu prüfen.
Ditib-Vorstand beklagt einseitige Debatte
Ditib will sich nach den Worten des neuen Vorsitzenden Kazim Türkmen weiter um eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft bemühen. Ein Ziel sei die Mitwirkung der Ditib an einem verfassungskonformen islamischen Religionsunterricht, sagte Türkmen am Mittwoch bei einer Pressekonferenz auf dem Gelände der Ditib-Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.
Zugleich beklagte der 46-Jährige eine einseitige Debatte über die Ditib. Die Beiträge des Verbandes für ein friedliches Miteinander würden nicht angemessen wahrgenommen. Stattdessen gebe es eine "Eskalation der Debatten". Viele Muslime fühlten sich inzwischen durch den Verlauf der Diskussion über die Ditib ausgegrenzt. Zugleich räumte Türkmen Kommuniaktionsdefizite des Verbandes und Mängel beim Krisenmanagement ein. Eine Rückbesinnung auf die Sachebene bezeichnete Türkmen gleichwohl als "dringend notwendig".
Übergangslösung für islamischen Religionsunterricht
Schon seit Längerem wird überprüft, ob es sich bei der Ditib und drei weiteren islamischen Verbänden um eine Religionsgemeinschaft handelt. Auf dieses Verfahren habe sich die Landesregierung mit den vier Organisationen bereits 2011 nach Einführung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts verständigt, teilte die Sprecherin der Staatskanzlei mit. Als Übergangslösung sei bis Mitte 2019 ein Beirat mit Vertretern der Verbände Ansprechpartner des Staates für den Religionsunterricht.
Ende 2016 war bekannt geworden, dass Ditib-Imane in deutschen Moscheen türkische Regimegegner ausspioniert hatten. Daraufhin hatte die rot-grüne Vorgängerregierung den Moscheeverband gedrängt, seinen Sitz im Beirat für den muslimischen Religionsunterricht ruhen lassen. Unter Schwarz-Gelb hat sich daran bisher nichts geändert. Die Kooperationsvereinbarung des Landes mit den islamischen Verbänden für den muslimischen Religionsunterricht in NRW endet am 31. Juli dieses Jahres. Danach muss ein neues Modell gefunden werden.
Die Qualifizierung eines Verbandes als Religionsgemeinschaft alleine reiche noch nicht aus, um einen Anspruch auf staatlichen Religionsunterricht nach eigenen Glaubensgrundsätzen zu begründen, erläuterte die Sprecherin. Notwendige Voraussetzung sei "die Rechts- und Verfassungstreue" eines Verbandes. Auch spiele "die Unabhängigkeit von politischen Einflüssen eine wichtige Rolle". Zudem müsse eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts beim NRW-Ministerpräsidenten beantragt werden. Einen solchen Antrag habe die Ditib bisher "nicht gestellt", sagte die Sprecherin. (KNA)