Dogmatiker blickt auf christliche Themen beim TV-Duell zur US-Wahl

Debatte um gute Botschaften

Der Wahlkampf in den USA läuft. Im November wird gewählt und in dieser Woche standen sich die Kandidaten für die Vizepräsidentschaft in einem TV-Duell gegenüber. Dogmatiker Benjamin Dahlke schaut auf die Positionen der US-Christen.

Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Senator J.D. Vance und der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz nehmen an der Vizepräsidentschaftsdebatte teil / © Matt Rourke/AP (dpa)
Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Senator J.D. Vance und der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz nehmen an der Vizepräsidentschaftsdebatte teil / © Matt Rourke/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ungewöhnlich war dieses TV Duell aus Ihrer Sicht?

Benjamin Dahlke / © Dr. Christian Klenk/KU Eichstätt-Ingolstadt
Benjamin Dahlke / © Dr. Christian Klenk/KU Eichstätt-Ingolstadt

Benjamin Dahlke (Professor für Dogmatik an der Universität Eichstätt und US-Experte): Mich hat es sehr gefreut und fast auch überrascht, wie sachlich, konstruktiv und auch informativ das Duell zwischen Vance und Walz in der Nacht verlaufen ist. Das Duell zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten zwischen Kamala Harris und Donald Trump verlief eher turbulent.

DOMRADIO.DE: Es wurden viele Themen angesprochen, die stark polarisieren. Zum Beispiel ein verschärftes Waffengesetz, Migration und Abtreibung. Wer hat Ihrer Meinung nach die besseren Argumente geliefert?

Dahlke: Das müsste man jeweils spezifisch sehen. Gerade die Frage des Waffenrechts war einer der sehr guten Partien in diesem Schlagabtausch, weil dort sachlich und konstruktiv gerungen wurde. Was für Optionen gibt es? Warum gibt es eigentlich so viele Waffen? Wie kann man darauf reagieren? Dort haben beide gezeigt, dass sie auch bereit wären, über Parteigrenzen hinweg miteinander zusammenzuarbeiten. Das ist, glaube ich, eine der guten Botschaften dieses Duells.

Benjamin Dahlke

"Da endet gerade, glaube ich, auch eine kirchengeschichtliche Epoche."

DOMRADIO.DE: "Culture Wars", dieses Stichwort fällt bei den Themen, die stark polarisieren, immer wieder. Was können Sie uns dazu sagen?

Dahlke: Genau. Also seit den 60er-Jahren hat sich die amerikanische Gesellschaft und damit auch die amerikanischen Kirchen insgesamt in eine Polarisierung hineinbegeben. Zwei weltanschaulich klar umrissene Blöcke standen sich gegenüber.

Der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz spricht während einer von CBS News veranstalteten Vizepräsidentschaftsdebatte / © Matt Rourke/AP (dpa)
Der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz spricht während einer von CBS News veranstalteten Vizepräsidentschaftsdebatte / © Matt Rourke/AP ( dpa )

Die haben sich mit zwei Parteien verbunden, mit den Demokraten, die etwa in Fragen des Abtreibungsrechtes Pro-Choice waren oder sich für die Rechte der Frau an ihrem Körper stark gemacht haben. Während die Republikaner sich als Pro-Life bezeichnet haben und das Recht des ungeborenen Lebens auch zur Geltung bringen wollten.

Diese Polarisierung, die scheint immer mehr zu schwinden. Es ist nicht mehr so, dass wir zwei weltanschaulich klar umrissene Blöcke haben. Es gibt viel mehr Ringen um einzelne Sachfragen. Da endet gerade, glaube ich, eine kirchengeschichtliche Epoche.

Benjamin Dahlke

"Hier sieht man aber, dass die Republikaner weg gehen von diesem strikten Pro-Life-Image."

DOMRADIO.DE: Woran merken Sie das, dass diese Kirchengeschichte Epoche endet?

Dahlke: Klassischerweise waren die Republikaner in Abtreibungsfragen Pro-Life. Inzwischen wird von Trump und jetzt auch von Vance betont, dass es den Staaten individuell zufallen soll, über Abtreibungsfragen zu entscheiden. 

Das wurde in dieser Debatte in der Nacht von Tim Walz problematisiert, weil er sagt: Entweder gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, dass eine Frau über ihren Körper und auch über ihren Fötus entscheiden kann oder nicht. Das kann nicht nur an geografischen Faktoren hängen. 

Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance spricht während einer von CBS News veranstalteten Vizepräsidentschaftsdebatte / © Matt Rourke/AP (dpa)
Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance spricht während einer von CBS News veranstalteten Vizepräsidentschaftsdebatte / © Matt Rourke/AP ( dpa )

Da ist natürlich ein guter Punkt für die Demokraten. Entweder gibt man das grundsätzlich frei oder nicht. Hier sieht man aber, dass die Republikaner weggehen von diesem strikten Pro-Life-Image und damit mehr in die Mitte der Gesellschaft. Außerdem schauen sie mehr auf Wechselwähler. 

Dort ist, glaube ich, im Nachgang auch noch manches zu diskutieren. Trotzdem meine ich insgesamt, dass diese Culture Wars in diesem Punkt allmählich enden.

Benjamin Dahlke

"Insgesamt würde ich meinen, dass die Katholiken in den USA genauso polarisiert sind wie die Gesamtgesellschaft."

DOMRADIO.DE: Sie kennen sich persönlich gut mit den Kirchen und der Theologie in den USA aus. Was für Reaktionen auf das Duell gab es schon, oder was erwarten Sie?

Dahlke: Der National Catholic Reporter, eine eher liberale Zeitschrift, hat festgehalten, dass in dieser Debatte Vance die Oberhand hatte, das aber gleichzeitig Walz nicht verloren hat. Das ist eine ganz schön ausgewogene Position. Wir haben einen Punktsieg für Vance und die Republikaner, würde ich auch meinen. Aber die Performance von Walz war nicht schlecht. Sie war teilweise auch sehr gut.

Dort wird man im Nachgang noch mehr drüber sprechen müssen. Insgesamt würde ich meinen, dass die Katholiken in den USA genauso polarisiert sind wie die Gesamtgesellschaft. Es gibt eine leichte Präferenz von Katholiken für die Republikaner, aber das ist insgesamt alles recht nah beieinander. Eine Polarisierung ist in den Wählerschichten immer noch greifbarer.

Benjamin Dahlke

"Auf lange Sicht hat sich vielleicht gezeigt, dass die Republikaner gewillt sind, dazuzulernen und ihre Rhetorik mäßigen."

DOMRADIO.DE: Wie entscheidend ist dieses TV Duell für die Präsidentschaftswahl im November?

Dahlke: Die Umfragen, die unmittelbar nach dieser Debatte geführt wurden, haben gezeigt, dass sich im Wesentlichen die Einschätzungen bestätigen. Ob Menschen sich anders entscheiden in ihrer Wahl, bleibt abzuwarten. 

Auf lange Sicht hat sich vielleicht gezeigt, dass die Republikaner gewillt sind, dazuzulernen und ihre Rhetorik mäßigen. Zumindest mal, was Vance angeht. Ich bin gespannt auf die Reaktion von Donald Trump in den nächsten Tagen.

Das Interview führte Tim Helssen.

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
DR