DOMRADIO.DE: Was war Ihr Gesamteindruck von der Vereidigung? Ein gelungener Auftakt zur großen Trump Show?

Prof. Benjamin Dahlke (Professor für Dogmatik an der Universität Eichstätt und US-Experte): Aus Sicht von Trump mit Sicherheit ja. Denn es war deutlich: Er freut sich wirklich, im Amt zu sein. Und er hat auch die Bühne genutzt, um noch einmal seine Themen stark nach vorne zu schieben.
Er hat sehr deutlich gesagt, dass die bisherige Regierung von Joe Biden in seiner Wahrnehmung eine gescheiterte Regierung ist. Dass das goldene Zeitalter Amerikas mit ihm an diesem Tag beginne, war seine Botschaft.
DOMRADIO.DE: Gottesdienste und Gebete gehören traditionell zur Amtseinführung eines US-Präsidenten. So auch gestern. Da sprachen der New Yorker Kardinal Timothy Dolan und der Baptistenprediger Franklin Graham die einleitenden Gebete vor dem Eid. Welchen Eindruck hatten Sie von dem, was Dolan gesagt hat?
Dahlke: Dolan kennt Trump jetzt schon viele Jahre. Trump hat sich mehrfach mit ihm getroffen und Dolan war auch bei der ersten Amtseinführung 2017 mit dabei. Insofern war es nicht überraschend, ihn wieder in dieser Rolle zu sehen. Dolan selbst hat es, finde ich, ganz gut gemacht, indem er sowohl Trump als auch Biden im Gebet erwähnt hat.
Nach Abschluss des Gebetes ist er zunächst zu Trump gegangen und hat ihm die Hand geschüttelt, dann zu Biden. Das war fair und er hat damit signalisiert, dass die katholische Kirche auch jetzt keine Vorfeldorganisation der Republikanischen Partei ist.
DOMRADIO.DE: Sowohl Dolan als auch Graham haben noch einmal das vereitelte Attentat auf Trump erwähnt. Gott selbst habe es verhindert. Was zeigt das?
Dahlke: Ich fand es erstaunlich, dass auch Dolan das so stark betont hat, bei Graham hat es mich nicht gewundert. Denn es ist ein klassisch evangelikales Narrativ: Gott greift in die Geschichte ein, um Trump zu retten, damit Trump Amerika wieder groß machen kann.
Das ist die Idee dahinter. Dahinter steht natürlich auch eine Theologie der Geschichtsmächtigkeit Gottes: Gott greift in das Weltgeschehen unmittelbar ein und hat auch einen Plan. Wenn man das konsequent zu Ende denkt, ist derjenige, der gegen Trump ist, jetzt auch gegen Gott. Es wird nun so sein, dass sich die Politik stark religiös auflädt. Das könnte zur Gefahr werden.
DOMRADIO.DE: Pikantes Detail: Trump sollte eigentlich mit der Hand auf zwei Bibeln seinen Amtseid schwören. Das hat er nicht getan. Messen Sie dem Bedeutung bei?
Dahlke: Das eine wäre die Bibel von Abraham Lincoln gewesen, das andere eine Bibel, die seine Mutter ihm 1955 geschenkt hat. Das ist wahrscheinlich in der ganzen Aufregung untergegangen. Ich würde nicht allzu viel draus machen. Es war ja auch nicht alleine Trumps Verantwortung, denn es wäre auch die Aufgabe der zuständigen Richter gewesen, darauf zu achten.

DOMRADIO.DE: Trump hat in seiner Rede ausgerechnet auf den schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King angespielt; er werde jetzt Martin Luther Kings Traum wahrmachen. Das dürfte eher nicht in Kings Sinn gewesen sein, oder?
Dahlke: Es war ja Martin-Luther-King-Day. Insofern lag es nahe, genau diesen Bezug herzustellen. Außerdem ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Trump zuletzt bei Afroamerikanern vermehrt Zuspruch bekommen hat. Die Statistiken zeigen, dass es dort eine gewisse Wählerbewegung in Richtung Trump gibt, obwohl die Schwarzen seit den Tagen von Martin Luther King traditionell der Demokratischen Partei verbunden sind.
Aber dass Trump gerade in Swing States, also in umkämpften Staaten wie zum Beispiel Georgia, gewonnen hat, hängt eben auch mit der Wahlentscheidung vieler Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner zusammen.
DOMRADIO.DE: Äußerlich spielten Gebete, Verweise auf Gott und den gottgewollten Präsidenten eine große Rolle. Inhaltlich gingen Trumps Ankündigungen allerdings in eine Richtung, die eher schwer mit christlichen Grundwerten vereinbar sind. Stichwort: America first. Wie passt diese "Wir zuerst und vor allen anderen"-Politik mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe zusammen?
Dahlke: Das ist in der Tat eine Frage, die wir jetzt sehr gut diskutieren müssen. Es gibt ja eine traditionelle Nähe der Katholiken zur Demokratischen Partei, weil gerade die Idee der Solidarität, die stark in der katholischen Soziallehre verankert ist, bisher eher von den Demokraten vertreten wurde. Da wird man den Kurs der Republikanischen Partei sehr kritisch verfolgen müssen.
Das betrifft genauso die Frage der Nachhaltigkeit, also den Umweltschutz. Trump möchte ja sehr stark wieder auf Öl setzen. Das betrifft aber auch Migrationsfragen, wo die neue Regierung schon Massenabschiebungen angekündigt hat.
DOMRADIO.DE: In seinem direkten Umfeld hat Trump auffällig viele stramm konservative Katholiken versammelt. Wird Trump die Katholiken in den USA absehbar noch stärker polarisieren?
Dahlke: Die Katholiken sind bereits polarisiert. Wir können allerdings feststellen, dass es im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Wählerbewegung der Katholiken hin zur Republikanischen Partei gegeben hat. Interessanterweise ist es so, dass, je häufiger Leute zum Gottesdienst gehen, je enger ihre Kirchenbindung ist, sie eher den Republikanern zuneigen. Diese Tendenz hängt damit zusammen, dass die Bischofskonferenz in den USA die Themen Abtreibung und Familienwerte sehr stark gemacht hat.
Die Demokraten haben genau das in den letzten Jahrzehnten in dieser Weise nicht mehr bedient. Im Wahlkampf hat Harris das auch nicht getan, was aus meiner Sicht ein Fehler war.
DOMRADIO.DE: Aber wie geht denn dann ein verurteilter Straftäter mit überaus zweifelhafter Sexualmoral mit den Vorstellungen konservativer Katholiken zusammen?
Dahlke: Da folgen in den USA sowohl viele Katholiken als auch Evangelikale einem bestimmten Narrativ. Es besagt, dass Gott auch so jemanden wie Trump verwenden kann, um das Land wieder zu Größe zu führen.
Dieses Narrativ hat sich ausgebreitet und es nimmt auch auf alttestamentliche Texte Bezug. Auch dort ist im Grunde die moralische Integrität des Königs gar nicht erheblich, sondern erheblich ist, dass der König zugunsten Israels wirkt. Diese theologischen Konzepte spielen also auch in der Gegenwart eine Rolle.

DOMRADIO.DE: Dass Donald Trump und Papst Franziskus niemals ziemlich beste Freunde werden, ist kein Geheimnis. Was ist Ihre Prognose für das Verhältnis zwischen dem Vatikan und den USA in den kommenden Jahren?
Dahlke: Das wird schon schwierig werden. Der neu ernannte US-Botschafter im Vatikan hat sich bereits als Franziskus-Kritiker positioniert. Das, was Trump gerade gesellschaftspolitisch vorhat, zum Beispiel in der Migrationspolitik, scheint mir kaum auf Linie mit Papst Franziskus zu sein. Insofern wird das sicher ein schwieriges Verhältnis.
Gleichzeitig darf man nicht unterschätzen, dass die amerikanische Kirche weltweit schon sehr wichtig ist. Sie ist finanziell wichtig, sie ist personell wichtig und sie ist auch ideell wichtig. Viele Impulse, die wir in der westlichen Welt bekommen werden, auch in der Kirche, werden von den USA ausgehen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.