DOMRADIO.DE: Ist es Zufall, dass Donald Trump sich bei seinem engsten Mitarbeiterkreis auf Katholiken fokussiert?

Godehard Brüntrup (Jesuit und USA-Experte): Es ist ein bisschen überraschend, weil seine Orientierung bisher im christlichen Bereich eher auf evangelikalen, also fundamentalistisch-protestantischen Christen lag. Es ist auffällig, wie viele konservative Katholiken er in sein Kabinett berufen hat.
Ich glaube nicht, dass dahinter die Botschaft steht, dass er der katholischen Kirche näher rückt, sondern dass die katholische Kirche in den USA in ein liberales und ein konservatives Lager gespalten ist. Das konservative Lager in der katholischen Kirche steht durchaus den Republikanern und auch Trump nahe.
DOMRADIO.DE: Die Amtseinführung beginnt mit einem Gottesdienst. Religion spielt eine Rolle in den USA.
Brüntrup: Ich glaube nicht, dass es möglich ist, amerikanischer Präsident oder Präsidentin zu sein, wenn man nicht irgendeine religiöse Bindung hat und diese auch zeigt. In der amerikanischen Gesellschaft ist Religion viel präsenter als in der deutschen, die wesentlich säkularisierter ist. Auch die Zahl der Menschen, die wöchentlich zu einem Gottesdienst gehen, ist um ein Vielfaches größer als in Deutschland.

Das spiegelt sich auch in den politischen Zeremonien wieder, die mit einem Gottesdienst beginnen. Das ist übrigens auch bei uns im Bundestag der Fall, aber auch mit Gebeten. Kardinal Dolan wird auftreten. Das ist katholischerseits auch ein wichtiges Zeichen. Diese Verbindung zur Religion, die in der US-Verfassung grundgelegt ist, wird in den Zeremonien immer wieder deutlich.
DOMRADIO.DE: Wie wird im Einführungsritual Religiosität sichtbar?
Brüntrup: Am Anfang gibt es einen Gottesdienst und Gebete. Der Amtseid wird wie bei uns auf die Bibel abgelegt.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist die Religion denn für Donald Trump selbst? Welche Bedeutung hat das Christentum für ihn?
Brüntrup: Das ist von außen schwer zu sagen. Man schaut nicht in seine Seele hinein, wie religiös er wirklich ist. Viele sagen, er ist vor allen Dingen religiös, weil er weiß, dass das gesamte Lager der konservativen Christen für ihn entscheidend ist, um Wahlen gewinnen zu können. Dieses Lager umfasst mehr als die Evangelikalen, sondern wahrscheinlich auch über die Hälfte der Katholiken.

Es hat aber auch den Anschein, dass ihm das ein großes Anliegen ist, wenn er zum Beispiel betont, dass man wieder über Weihnachten reden will. Im Wahlkampf hat er die "woke" Gesellschaft kritisiert, die es politisch nicht mehr als angemessen gesehen habe, über Weihnachten zu sprechen. Zumindest in dieser fast romantisch, verklärenden Form, die vielleicht auch etwas konservativ ist, ist ihm Religion wichtig.
DOMRADIO.DE: Wird Religion teilweise von ihm instrumentalisiert, wenn etwa im Zusammenhang mit dem Schüssen auf Trump, die ihn nur am Ohr trafen, von Gottes Fügung gesprochen wird. Außerdem wird Trump von gewissen Kreisen auch als Heilsbringer stilisiert.
Brüntrup: Viele seiner Anhänger sagen, dass er zweimal ganz knapp einem Tod entgangen sei. Darin sehen sie schon so etwas wie eine göttliche Fügung. Das würde ich aber nicht speziell in der Person Trumps verorten, sondern die Amerikaner lesen die Welt mehr von der Religion her als wir. Man ist schneller dabei, ein außergewöhnliches Ereignis als Wunder oder als Fügung zu betrachten.
DOMRADIO.DE: Es gab einen ungewohnt deutlichen Brief des deutschen Botschafters in Washington. Er warnt deutsche Behörden vor Trumps zweiter Amtszeit. Es drohe eine maximale Disruption mit Angriffen auf Rechtsstaatlichkeit und politische Gegner. Machen Sie sich ähnliche Sorgen, da Sie oft in den USA unterwegs sind?
Brüntrup: Ich vermute, dass das bei einem Diplomaten ein Unfall ist, wenn ein solcher Brief an die Öffentlichkeit kommt. Ich kenne auch die Hintergründe nicht. Ich mache mir trotzdem sorgen, weil Trump unberechenbar ist. Nicht, weil ich glaube, dass er im tiefsten Herzen ein Faschist sei oder durch und durch antidemokratisch. Er ist ein Machtmensch. Er will sich durchsetzen und er kommt aus der Welt der Wirtschaft. Er ist es gewohnt, dass der Boss entscheidet und die ganzen demokratischen Prozeduren sind ihm nicht vertraut.
Wir werden heute erleben, dass er gleich am ersten Tag über 200 präsidiale Dekrete erlassen wird, von denen jedenfalls einige besser durch das Parlament gegangen wären. Das hatte Biden auch in einem gewissen Umfang getan, aber diese Konzentration auf die Person des Präsidenten ist eine Gefährdung für die Demokratie. Das hat etwas Autoritäres, was der amerikanischen Gesellschaft nicht gut tut, und das könnte tatsächlich durch Trump verstärkt werden.
Das Interview führte Tobias Fricke.