Dogmatiker will keine Zweideutigkeit des Vatikans

"Mehr Klarheit des Papstes wäre wünschenswert"

Nach dem Brief des Vatikans an Bischof Georg Bätzing ist es ungewöhnlich still. Wird es so bleiben oder kommen disziplinarische Maßnahmen, um das Verbot von Laienpredigt und Laientaufe durchzusetzen? Helmut Hoping hofft auf Klärung.

Kuppel des Petersdoms vor dunklen Wolken / © dade72 (shutterstock)
Kuppel des Petersdoms vor dunklen Wolken / © dade72 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Zuckt Rom jetzt ein weiteres Mal, ohne dass es irgendwelche Auswirkungen hat?

Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg
Prof. Helmut Hoping / © Universität Freiburg

Prof. Dr. Helmut Hoping (Lehrstuhl für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg): Das auf den 29. März datierte Schreiben des Präfekten der Gottesdienstkongregation ist eine weitere Eskalationsstufe im Konflikt zwischen den deutschen Bischöfen und dem Heiligen Stuhl.

So erklärt das Schreiben, dass kein Bischof die Vollmacht habe, von der Bestimmung, bei der die Homilie in der Messfeier die Weihe voraussetzt (can. 767 § 1 CIC), zu dispensieren. Eine bischöfliche Erlaubnis zur Predigt von Laien in der Eucharistie ist daher rechtlich unwirksam. 

DOMRADIO.DE: Aber in vielen Gemeinden in Deutschland ist die Laienpredigt auch in der Eucharistiefeier doch schon längst an der Tagesordnung, wird sogar von den Bischöfen toleriert. Warum versucht denn hier der Vatikan, dieses Rad zurückzudrehen? Ein wenig erinnert das an die Zulassung von weiblichen Ministranten und liturgische Dienste durch Frauen, wo langgehegte Praxis irgendwann von Rom legitimiert wurde.

Prof. Dr. Helmut Hoping (Lehrstuhl für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg)

"Die Einheit von Wort und Sakrament ist das entscheidende Argument dafür, die Homilie, wie das vorausgehende Evangelium, an die Weihe zu binden."

Hoping: Man kann beides nicht miteinander vergleichen. Für den Akolythendienst gibt es aufgrund der Änderungen, die Papst Franziskus vorgenommen hat, zwei Formen: Zum einen eine Institutio zum Akolythat, die nun auch für Frauen möglich ist, und den Dienst der Ministranten und Ministrantinnen. Akolythen üben anders als Diakone und Priester keinen Dienst am Altar bei der Darbringung der eucharistischen Gaben aus.

Die Einheit von Wort und Sakrament ist das entscheidende Argument dafür, die Homilie, wie das vorausgehende Evangelium, an die Weihe zu binden. Im Schreiben von Kardinal Roche heißt es: "Kraft des Weihesakraments ist der geweihte Amtsträger für die Verkündigung des Wortes und die Danksagung über Brot und Wein verantwortlich: Wort und Sakrament sind untrennbare Realitäten, und insofern sie nicht nur der formale Ausdruck der Ausübung der 'sacra potestas' sind, sind sie weder trennbar, noch können sie delegiert werden."

Es hat mich sehr gewundert, dass auf der letzten Vollversammlung des Synodalen Weges kein Priester und Bischof in der Lage war, das theologische Argument gegen die Laienpredigt in der Eucharistie korrekt vorzutragen.

DOMRADIO.DE: Wie lautet den die Haltung des Vatikans zu den Taufen durch Laien, wie es sie ja jetzt im Bistum Essen gibt?

Hoping: Hier erklärt die Gottesdienstkongregation, dass eine pastorale Notlage, die es rechtfertigen könnte, dass Laien feierlich die Taufe spenden, für die Bistümer in Deutschland ganz offensichtlich nicht gegeben ist. Wir reden hier nicht von der Nottaufe bei Todesgefahr des Täuflings.

Das Schreiben von Kardinal Roche weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Ritualfaszikel "Die Feier der Kindertaufe" von 2006 keinen Abschnitt zur Feier der Taufe in Abwesenheit eines Priesters oder eines Diakons enthält, da die deutschen Bischöfe der Meinung waren, dass eine Notlage nicht besteht.

Prof. Dr. Helmut Hoping (Lehrstuhl für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg)

"Von einer Notlage kann hier wie in den anderen deutschen Bistümern keinerlei Rede sein."

Ich habe mir nach der Erlaubnis von Bischof Overbeck zur Feier der Taufe durch Laien im Bistum Essen die Mühe gemacht, die Anzahl der aktiven Priester und Diakone und die Zahl der Taufen miteinander zu vergleichen. Von einer Notlage kann hier wie in den anderen deutschen Bistümern keinerlei Rede sein.

DOMRADIO.DE: Aber was erwartet denn Kardinal Roche mit seinem Schreiben? Dass die deutschen Bischöfe diese ganzen Dinge, die in den Gemeinden bereits laufen, jetzt wieder zu unterbinden versuchen? Das wird in der Praxis schwer umzusetzen sein.

Hoping: Bei der Laienpredigt in der Messfeier mag das so sein, doch kein Bischof kann behaupten, dass die Praxis mit der Rechtsordnung der katholischen Kirche vereinbar sei. Bei der Taufe durch Laien könnte es durchaus dazu kommen, dass die Praxis wiedereingestellt werden muss beziehungsweise keine weiteren Laien mehr mit der Taufspendung bischöflich beauftragt werden. Beim Schreiben von Kardinal Roche handelt es sich nicht um einen Diskussionsbeitrag, wie das ZdK insinuiert.

DOMRADIO.DE: Erwarten Sie hier mehr Klarheit von Papst Franziskus?

Hoping: Das Problem ist, dass wir derzeit eine dramatische Erosion bischöflicher Autorität erleben, allen voran des Heiligen Stuhls. Auf der einen Seite haben wir es nach Johannes Paul II. und Benedikt XVI. mit einem Pontifikat lehrmäßiger Unklarheit zu tun. Zum anderen ignorieren deutsche Bischöfe päpstliche Schreiben und Erklärungen römischer Dikasterien, selbst wenn sie von Franziskus in forma specifica approbiert wurden. Mehr Klarheit des Papstes wäre daher schon wünschenswert.

Aber selbst damit wäre es nicht getan, hat doch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zum Abschluss der 5. Vollversammlung des Synodalen Weges erklärt, dass sich die katholische Kirche in Deutschland ihren eigenen Rechtsraum außerhalb des kanonischen Rechts geschaffen hat. Maria 2.0 spricht von einem Weg unabhängig von Rom. Das ZdK rechtfertigt diesen Weg damit, dass man hierzulande schon weiter sei als der uneinsichtige Heilige Stuhl.

Prof. Dr. Helmut Hoping (Lehrstuhl für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg)

"Ohne dass die deutschen Bischöfe einsehen, dass sie sich mit den Beschlüssen des Synodalen Wegs in eine Sackgasse manövriert haben, wird das Verhältnis von DBK und Vatikan prekär bleiben."

DOMRADIO.DE: Was muss denn jetzt geschehen, damit sich der Vatikan und die Kirche in Deutschland einigen?

Hoping: Ohne dass die deutschen Bischöfe einsehen, dass sie sich mit den Beschlüssen des Synodalen Wegs in eine Sackgasse manövriert haben, wird das Verhältnis von DBK und Vatikan prekär bleiben.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens. 

Synodaler Weg

Der Begriff "Synodaler Weg" verweist auf das griechische Wort Synode. Es bedeutet wörtlich "Weggemeinschaft"; im kirchlichen Sprachgebrauch bezeichnet Synode eine Versammlung von Bischöfen oder von Geistlichen und Laien.

Der Reformdialog Synodaler Weg dauerte von Ende 2019 bis Frühjahr 2023. Dabei berieten die deutschen katholischen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammen mit weiteren Delegierten über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland.

Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Das gelochte Metallkreuz und Teile des Schriftzugs Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR