DOMRADIO.DE: Was ist die Leichte Sprache genau? An wen richtet sie sich?
Harald Schlüter (Referent für Dom- und Kirchenführungen beim Kölner Domforum und Co-Autor des Domführers in Leichter Sprache): Leichte Sprache ist ein nach festen Regeln verfasster Text. Deshalb kann man ihn auch gar nicht sprechen. Das wäre dann einfache Sprache, weil es ganz präzise Regeln braucht, um diese Sprache auch zu verschriftlichen.

Sie ist an Menschen mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Beeinträchtigungen gerichtet. Aber letztendlich ist sie für alle da. Das ist eine Vereinfachung, eine Elementarisierung, die ganz vielen Menschen hilft, Texte zu verstehen und zu lesen.
DOMRADIO.DE: Wie kam es denn dazu, dass sie so etwas auch für den Kölner Dom haben wollten?
Schlüter: Ich bin mit dem Thema Führungen im Kölner Dom seit vielen Jahren befasst. Von daher schauen wir natürlich, wie wir alle Menschen in allen Zielgruppen erreichen. Gerade im Bereich der schriftlichen Angebote war schon lange allen Verantwortlichen am Dom klar, dass es ein großes Desiderat ist, dass es dieses Produkt für den Dom nicht gibt.
Andere Orte sind da schon vorangegangen. Für uns war der Domführer in Leichter Sprache für den Regensburger Dom ein großes Vorbild. Die Kollegen kennen wir durch unser Netzwerk Kirchenführungen. Von daher war klar: Hier muss in Köln unbedingt auch was passieren.
DOMRADIO.DE: Sie haben den Domführer zusammen mit Ihrer Tochter gemacht. Wie war das denn, mit ihr zusammen zu arbeiten? Und wie lief die Arbeit generell ab?
Schlüter: Erst mal war es spannend, wie das überhaupt als Idee entstanden ist. Wie das so ist, war das am Küchentisch als ich erzählt habe, dass wir noch keinen Autor für diese Idee, einen Domführer in Leichter Sprache zu verfassen, gefunden haben.
Meine Tochter ist als Förderschullehrerin mit dem Thema ohnehin unterwegs. So haben wir eigentlich unsere Professionen zusammengelegt. Ich als Kenner des Domes, der schon einen Domführer für die vielen Menschen im Dom verfasst hat, der mittlerweile in 16 Sprachen vorliegt und Hannah mit ihrer Fähigkeit, das in Leichte Sprache zu übersetzen.
Dann haben wir uns zusammen auf den Weg gemacht. Wir haben einen Grundriss genommen, haben Stationen überlegt, wir haben überlegt, was da drin sein muss. Ab da war es ein Ringen. Es hat fünf Jahre gedauert, bis dieser Text auf den Stand gebracht worden ist. Sicherlich nicht kontinuierlich, da gab es auch Unterbrechungen und Pausen. Aber es ist auch ein Reifungsprozess.
Der war im Grunde damit gegeben, dass wir von beiden Seiten immer wieder in der Frage, ob der Inhalt verloren geht, um Worte und Begriffe gerungen haben. Dafür stand ich dann mehr ein. Oder ist die Form erfüllt? Dafür stand Hannah mehr ein. Das waren die Dinge, die wir zusammengebracht haben.
DOMRADIO.DE: Frau Weber, wie ist der Domführer denn aufgebaut?

Tina Weber (Verlagsleiterin des Kölner Domverlags): Er ist als Rundgang aufgebaut. Auf dem Umschlag gibt es einen Grundriss mit Stationen, die sich auch im Heft wiederfinden. Die Idee ist, dass man den Dom besucht und von Station zu Station gehen kann. Es ist zweigeteilt. Es gibt einen ganz großen Bereich, der den Innenraum abdeckt.
Und dann, wenn der Besucher noch über Kräfte verfügt und noch nicht müde ist, kann er außen um den Dom eine Runde drehen und auch dort schauen, was sich dort befindet.
DOMRADIO.DE: Auf dem Cover sind zwei Siegel zu sehen. Was haben sie für eine Bedeutung?
Weber: Das sind im Prinzip Qualitätssiegel. Zum einen ist es das Siegel für Leichte Sprache und das andere von Inclusion Europe. Herr Schlüter hat schon erwähnt, dass die Leichte Sprache Regeln folgt. Sinn dahinter ist, dass die Leichte Sprache von der Zielgruppe geprüft werden muss, um als solche auch verwendet zu werden.
Das heißt, es gab Prüfverfahren, es gab eine Texterin für Leichte Sprache, die das Ganze lektoriert hat, die uns auch noch mal sprachliche Korrekturen mit auf den Weg gegeben hat oder andere hilfreiche Anregungen gegeben hat. Es gab eine Prüfgruppe der Lebenshilfe Leverkusen-Rhein-Berg, der wir auch hiermit noch mal ganz herzlich danken. Sie haben das Manuskript im Vorfeld geprüft, haben dort Anregungen gegeben.
Und es gab einen Herrn aus der Zielgruppe, der mit der Texterin zusammen den Dom besucht hat und den Führer vor Ort ausprobiert hat. Das war schon ein spannender Weg, den wir gegangen sind, mit dem Ergebnis, dass wir diese Siegel tragen dürfen.
DOMRADIO.DE: Was war denn eine besondere Herausforderung für Sie?
Weber: Ich glaube, eine Herausforderung war sicherlich die Handhabung. Wir arbeiten mit dem Grundriss des Doms. Das heißt, die Stationen sind dort mit Punkten und Nummern markiert, die sich auch im Heft wiederfinden. Da hat uns die Lektorin den direkten Hinweis gegeben, dass man da aufpassen müsse, weil intuitiv vielleicht jemand auch im Dom nach diesen Punkten auf dem Boden suchen würde.
Das heißt, wir müssen auf jeden Fall genau erklären, wie der Führer überhaupt funktioniert. Aber in der Summe war es ein wirklich sehr spannendes Projekt, weil es einfach einen Perspektivwechsel ermöglicht hat. Das war extrem bereichernd.
DOMRADIO.DE: Und für Sie, Herr Schlüter?
Schlüter: Für mich auch. Ein wichtiger Punkt ist auch die Auswahl der Bilder, denn auch die sind klar strukturiert und geben den Dom in einfacher, klarer Form wieder. Das erst macht das Produkt rund, dass diese Dinge so zusammenspielen und dass der Inhalt nicht verloren geht.
Das ist die größte Herausforderung. Das ist eigentlich wie das Herstellen einer Marmelade. Man kocht diesen Text ein, er wird immer kürzer, er wird immer dichter. Es entsteht ein Konzentrat. Aber mir war immer wichtig, dass die Früchte nicht rausfallen, sondern dass die Früchte in diesem Konzentrat erhalten bleiben.
Ich glaube und hoffe, dass uns das miteinander in diesem Verbund gelungen ist, denn wir haben mit dem Verlag ganz intensiv diskutiert. Wir haben da eigentlich jeden Satz vor und zurück gewendet.
Das Interview führte Lara Burghardt.