Für den katholischen Olympiapfarrer Jürgen Hünten ist die Antwort eindeutig. Zu Beginn der Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeungchang läuft die Debatte um Doping in Russland und anderswo weiter. Seit Jahren sind Leichtathleten oder Radfahrer immer wieder in Skandale um verbotene Substanzen verwickelt. Dabei sollen sportliche Wettkämpfe unter fairen Bedingungen und Regeln stattfinden - auch moralische Werte sollten eine Rolle spielen.
Wie viele Sportler dopen, ist kaum zu erfassen. Lediglich einzelne Erhebungen geben Einbli, so Bunthoff auf Anfrage. Es gebe "sicherlich" eine Dunkelziffer; "über die Höhe kann man allerdings nur spekulieren".
Bunthoff verweist ihrerseits auf Studien, die besagen, dass zwischen 5 und 60 Prozent der Sportler dopen. "Wir gehen eher davon aus, dass die erste Zahl zutreffender ist", erklärt sie. Als Jäger fühlen sich die Kontrolleure der NADA den Angaben zufolge nicht: "Nein. Wir haben den Schutz der sauberen Sportlerinnen und Sportler im Fokus. Wir setzen uns dafür ein, dass für alle Chancengleichheit und Fairness gegeben ist."
Unterschiedlichste Beweggründe für Doping
"Es gibt die unterschiedlichsten Beweggründe, warum Sportler dopen", sagt Moritz Anderten, Psychologe an der Deutschen Sporthochschule Köln. "Viele Sportler haben ihr ganzes Leben auf Olympia hingearbeitet." Zudem wüssten sie, dass in anderen Ländern gedopt und das zum Teil verschleiert werde. Um ihr großes Ziel zu erreichen, sehen sie laut Anderten im Doping die einzige Möglichkeit, international konkurrenzfähig zu sein, wenn es um die absoluten Topplatzierungen geht.
Als weitere Beweggründe für das Dopen nennt der Sportpsychologe das Streben, die eigene Leistungsgrenze noch mal zu verschieben und das Maximum aus sich herauszuholen. Außerdem spielen existenzielle Ängste eine Rolle.
"Häufig sind Athleten Opfer eines national organisierten Dopingsystems, das mit dem Leistungssport eigene Interessen verfolgt und die Sportler instrumentalisiert", erklärt Anderten. Das könne über Ärzte oder medizinisches Personal geschehen, welche die Sportler betreuen. "Die Athleten sind häufig ernsthaft davon überrascht, dass Substanzen in ihrem Körper nachgewiesen werden", sagt der Experte.
Die Einbahnstraße "Der Athlet ist alleine schuld" sei zu kurz gedacht. Stattdessen müsse man das ganze System betrachten.
Verrechtlichung des Sports
Der Berliner Sportethiker Elk Franke sieht eine Verrechtlichung des Sports: "Es gibt in unserer Gesellschaft eine Verschiebung von der Moral zum Recht. Was früher oft noch durch die Moral bewertet wurde, wird heute durch Rechtsfragen geklärt." Gleiches gelte für den Sport.
Die Ethik sei durch Nachweisbedingungen ins Labor verlagert worden. "Ethik spielt im Sport keine Rolle mehr, solange die Handlung rechtlich erlaubt ist", erklärt Franke.
In Bezug auf das Gebot des Fair Plays ist die Ethik gleichzeitig weiter wichtig: Die Sportler müssen Franke zufolge die Ethik des Sports als moralische Instanz akzeptieren, die sich durch Regeln ausdrückt. Es bestehe das Gebot der gleichen Chancen für alle Teilnehmer. Doping zerstöre diese Chancengleichheit und damit den Wettkampf. In einigen Disziplinen sähen Sportler die Diskussionen über Doping als randständig an: "Wenn man wie alle dopt, dann relativiert sich das. Die moralische Verletzung ist dann keine mehr."
Für Olympiapfarrer Hünten saubere Wettkämpfe als oberstes Ziel
Auch der katholische Olympiapfarrer Jürgen Hünten sieht saubere und faire Wettkämpfe als oberstes Ziel an: Wenn jemand versuche, mit falschen Mitteln etwas zu erreichen, sei das "weit entfernt vom sportlichen Gedanken".
Es hat für Hünten neben einer ethischen Komponente auch eine gesundheitliche Dimension: "Es geht um menschliche Körper, und wir wissen nicht, welche Folgeschäden die Menschen ereilen, die sich irgendwelche Mittel spritzen oder schlucken." Land und Verband hätten in diesem Punkt eine Verantwortung für die Sportler.
"Schwachstellen im internationalen Sportbetrieb sind die nationalen Kontrollsysteme", erklärt Ethiker Franke. "Blicken wir beispielsweise nach China oder Afrika, kann man davon ausgehen: Die sind klüger als die Russen oder schwerer zu kontrollieren." Bei kleineren, klassischen Wintersportnationen wie Norwegen oder die Schweiz seien Kontrollen überschaubar.
Dem Ethiker zufolge glaubt die überwiegende Zahl der Zuschauer, dass es einen absolut dopingfreien Sport nicht geben kann, er aber mit klugen, konsequenten und unabhängigen Kontrollen eingedämmt werden könnte.