Sie ist als Touristen-Attraktion für Millionen Jerusalem-Besucher gedacht. Bislang führt sie jedoch von nirgendwo nach nirgendwo. Über einen rutschigen Feldweg, steil bergab von der Altstadtmauer und dem lateinischen Friedhof mit dem Grab Oskar Schindlers erreicht man die "längste Hängebrücke des Landes". Mit 202 Metern überspannt sie das malerische, in der Bibel freilich als Ort von Kinderopfern für den Gott Moloch übelst beleumdete Hinnom-Tal. Sie endet unterhalb des palästinensischen Ortes Abu Tor, abgelegen bei einem Cafe und Kulturzentrum der privaten israelischen Siedlerorganisation Elad, die sich der biblischen Archäologie unter klaren nationalen Vorzeichen verschrieben hat.
Dass die bei der Einweihung im Juli angekündigten Millionen-Scharen noch nicht gekommen sind, liegt an der mangelnden Verkehrsanbindung, aber natürlich auch am Gaza-Krieg und dem Touristeneinbruch. Bislang sind es vor allem palästinensische Eltern aus der Umgebung mit ihren Kindern, die sich freuen, wenn das Spannwerk schon bei mittlerem Wind spürbar schwankt. Und es sind zufällige Besucher, die eine Abkürzung nach Abu Tor suchen, und die enttäuscht sind, wenn sie deutlich länger unterwegs sind.
Endstation Seilbahn
Aber die Brücke steht, nach langem juristischem Rechtsstreit und trotz erheblichen Widerstands von Anwohnern, Umweltschützern und Lokalpolitikern - und verschandelt das bislang naturbelassene Tal.
Elad verwaltet bereits die Top-Ausgrabungsstätte der "Davidsstadt" südlich des Jerusalemer Tempelbergs. Von hier aus ist neuerdings auch ein Rundgang unter dem angrenzenden Givati-Parkplatz möglich, wo Archäologen auf bis zu 2.800 Jahre alte Funde aus der Zeit des Ersten Tempels gestoßen sind. Gegenüber plant Elad ein Besucherzentrum - an dem die geplante Seilbahn enden soll.
Touristisch vertiefte Judaisierung Jerusalems
Und die ist ein weiteres strittiges Bauprojekt in der sensiblen Umgebung der Jerusalemer Altstadt mit ihren vielen Heiligen Stätten. Die Seilbahn soll rund 1,4 Kilometer vom alten Jerusalemer Bahnhof (heute: "First Station") fast bis zur Klagemauer führen und bis zu 3.000 Fahrgästen pro Stunde befördern - und später vielleicht auch weiter zum Ölberg. Das würde den Verkehr und das Gedränge an den Altstadtmauern entlasten und Besucher umweltverträglich von Westjerusalem an den Rand des Tempelplatzes bringen, sagen die Initiatoren.
Kritiker betonen dagegen, damit würde das Gedränge nur an die First Station verlagert, der Besucherstrom an den arabischen und christlichen Altstadtvierteln vorbeigeführt - und damit die Judaisierung Jerusalems touristisch vertieft. Zudem würde der absehbare Rummel die Ruhe am Zionsberg mit dem christlichen Abendmahlssaal und dem Mariengrab in der Dormitio-Abtei stören, wo eine Mittelstation geplant ist.
Weitere Großbauprojekte
Dort haben bereits jetzt die Bauarbeiten begonnen. Allerdings mussten sie zwischenzeitlich gestoppt werden, weil Archäologen interessanten Spuren nachgingen. Zudem hat jetzt auch die Franziskaner-Kustodie, die im Auftrag des Papstes die Heiligen Stätten im Heiligen Land bewacht und auf die Einhaltung des "Status quo" in Jerusalem drängt, Einspruch erhoben. Die städtischen Behörden hätten ihnen zugesagt, dass die Trasse nicht über den katholischen Friedhof führen solle.
Ein weiteres Großbauprojekt erregt auf der anderen Seite des Hinnom-Tals nicht nur Archäologen und Naturfreunde sondern auch die schottische Kirche - und die britische Botschaft. Unterhalb der Saint Andrews Scots Memorial Church, die mit ihrem quadratischen Turm und der blau-weißen Kreuzfahne zur Silhouette Jerusalem gehört, soll ein gewaltiges "Mount-Zion-Hotel" entstehen. Zwar kündigen Schilder am Bauzaun eine baldige Eröffnung ("Coming soon") an. Aber der Dean des Gotteshauses wie auch die Angestellten des Gästehauses sind zuversichtlich, dass ihre Diplomaten das Mammutprojekt vor Kirchenportal und Gästepforte noch verhindern und dem Platz seine bisherige Ruhe erhalten.
Die Jerusalem-Frage
Hinter diesen verschiedenen Bauprojekten und Standortmarkierungen sehen Beobachter ein Konzept von israelischen Aktivisten und Siedlern zu einer jüdischen Umzinglung der Altstadt. Und damit zu einer "Transformation des Charakters Jerusalems", betonte unlängst Danny Seidemann von der Organisation Terrestrial Jerusalem, die sich in der Jerusalem-Frage für einen Einklang mit einer Zwei-Staaten-Lösung einsetzt.
Damit würde "das historische, spirituelle, religiöse und kulturelle Herz Jerusalems" in eine "ausschließlich israelische Herrschaft überführt" und "von einem extremen biblischen Narrativ geformt", meint Seidemann.
"Marke" nicht neu prägen
Und auch bei den Benediktinern auf dem Berg Zion stößt das Projekt auf Kritik, nicht nur aus ästhetischen Gründen. Abt Nikodemus Schnabel warnt vor einer "Disneylandisierung" Jerusalems durch neue Attraktionen wie die Seilbahn, die Hängebrücke oder eine Seilrutsche. Dazu zählt er auch Bemühungen, etwa die Formel-1 oder einen Marathon nach Jerusalem zu holen.
Jerusalem habe bereits einen Zauber, einen einzigartigen, universalen Charakter als Heilige Stadt, an die Juden, Muslime und Christen eine höchst emotionale Bindung haben und in der sie zusammenleben. "Jerusalem ist eine Stadt voller Geschichte und Narrative, ein Sehnsuchtsort, eine Stadt, die vibriert, die freilich auch anstrengend und herausfordernd ist." Man müsse die "Marke" Jerusalems nicht durch säkulare/banale Attraktionen neu prägen.