DOMRADIO.DE: Herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen heute an Ihrem 75. Geburtstag, Herr Schneider!
Nikolaus Schneider (Ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland und Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland): Herzlichen Dank! Ich finde es wunderbar, dass auch das Domradio und damit auch die Zuhörenden heute an mich denken. Tut gut.
DOMRADIO.DE: Trotz Ruhestand sind Sie immer noch sehr aktiv. Wo engagieren Sie sich aktuell?
Schneider: Ja, ich bin immer noch aktiv. Das sehen Sie völlig richtig. Meine Frau und ich machen viel zusammen. Wir predigen etwa noch, und wir halten Vorträge. Und ich engagiere mich auch noch im Kuratorium der Akademie des Regenbogenlandes, das ist ein Kinder- und Jugendhospiz in Düsseldorf. Dann gibt es noch noch einige andere kleine Pöstchen, die ich auch noch ausfülle.
DOMRADIO.DE: Nächste Woche geht der Synodale Weg in Frankfurt weiter. Wie blicken Sie denn auf diese Reformbewegung in der katholischen Kirche in Deutschland aktuell?
Schneider: Voller Sympathie und Anteilnahme. Ich hoffe sehr, dass der Synodale Weg doch auch einige positive Veränderungen für die Gläubigen mit sich bringt. An erster Stelle die Frauenfrage der Ordination von Frauen, etwa die Diakonenweihe könnte ein guter Anfang sein und die Rolle, die Frauen in der Kirche spielen – aber auch im Übrigen die Beteiligungen des Volkes Gottes an der Leitung der Kirche. Das sind wichtige Themen und ich finde, hier sind Schritte nötig und man merkt, wie sehr doch auch die Kirche in Deutschland an diesen Themen engagiert ist.
DOMRADIO.DE: Ein Thema ist für Sie ja die soziale Kälte und das Wüten des Bösen und der Gewalt in unserer Welt. Das kriegen wir tagtäglich in den Sozialen Medien mit. Was kann Ihrer Meinung nach helfen, da wieder Ruhe reinzubringen?
Schneider: Ach ja, das eine ist, wir haben in der biblischen Botschaft ja sozusagen einen Brunnen, aus dem wir Wasser des Friedens schöpfen können und Wasser der Gerechtigkeit, auch der sozialen Gerechtigkeit. Das müssen wir als Kirchen wieder ganz stark machen und stark predigen.
Aber wir müssen uns auch konkret engagieren in unseren Einrichtungen, und die besondere Liebe Gottes zu den Armen – die zu bezeugen, ist in dieser Zeit ganz herausragend wichtig. Und wenn wir schauen auf die Konflikte dieser Welt, auf diesen fürchterlichen Krieg in der Ukraine, so haben wir das Friedenszeichen wieder ganz stark zu machen. Denn Jesus als Kriegsherr kann sich kein Mensch vorstellen.
DOMRADIO.DE: Hat sich in den vergangenen Jahren oder auch Jahrzehnten Ihr Verhältnis zu Gott gewandelt?
Schneider: Das sicher, weil das Verhältnis zu Gott ein lebendiges ist und Gott ja ein lebendiges Gegenüber. Ich habe ja manche Krisen erlebt, etwa meine jüngste Tochter durch eine Leukämie verloren, meine Frau hatte Brustkrebs und ich selber war auch nicht frei von solchen Infragestellungen. Also, dass Gott auch eine rätselhafte Seite hat, eine Seite, die wir nicht verstehen und die uns auch ängstigen kann, das habe ich neu gelernt.
Es gibt von Fulbert Steffensky ein schönes Wort, der sagt, dass unser Weg durch das Leben auch von zerbrochenen Gottesbildern – nicht Gott – eben von Gottesbildern begleitet ist. Das ist einfach richtig und das kann ich auch nur so bezeugen, ohne dass ich an Gott zweifle.
Das Interview führte Oliver Kelch.