DOMRADIO.DE: Der Schutz der Grenzen auf der einen Seite und der Schutz des Klimas auf der anderen Seite: Das beschreibt ganz gut die sehr unterschiedlichen Inhalte der beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne in Österreich. Kann das gut gehen?
Klaus Prömpers (Journalist): Frühestens wird man das erst am kommenden Dienstag beurteilen können, wenn die Zustimmung zum Programm durch den Bundesvorstand der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) erfolgt ist und vor allem am Samstag, wenn das Regierungsprogramm durch den Bundeskongress der Grünen bewilligt worden ist. Das bezieht sich sowohl auf das Programm als auch auf die Ministerposten.
Ob es dann wirklich gut geht, wird die Zukunft weisen müssen. Dann wird sich zeigen, ob das, was man sich jetzt vornimmt und was auf den ersten Blick teilweise recht widersprüchlich zu sein scheint, tatsächlich zu einer Programmatik führt, die die Menschen weiterhin mitnimmt und ob es die Zustimmung, die jetzt in Umfragen bei 44 Prozent liegt, erhöht oder eben nicht.
DOMRADIO.DE: Im Regierungsprogramm ist auch eine Ökologisierung des Steuersystems vorgesehen. Was ist damit gemeint? Können Sie das erklären?
Prömpers: Noch weiß man nicht hundertprozentig, was im Einzelnen im Regierungsprogramm drinstehen wird. Aber es zeichnet sich jetzt schon aufgrund durchsickernder Informationen ab, dass es höhere Flugpreise geben wird. Es soll zudem ein Österreich-weites Ticket für den öffentlichen Nahverkehr - einschließlich der Bahnen - geben, um Verkehrsströme umzulenken. Weiter sollen wahrscheinlich ab 2022 sowohl der Benzinpreis als auch der Dieselpreis steigen.
Es soll auf der einen Seite eine ökologische Steuerreform geben. Auf der anderen Seite soll diese Steuerreform aber nicht bedeuten, dass die Menschen im Lande künftig mehr Steuern zahlen müssen, vor allem jene Pendler nicht, die von Preiserhöhungen stärker betroffen sein werden. In dem Flächenland Österreich, wo sehr viele Menschen zur Arbeit pendeln müssen, ist das ein sehr wichtiger Gesichtspunkt. Angeblich kann man das vereinbaren. So haben der künftige Kanzler Sebastian Kurz und der künftige Vizekanzler von den Grünen, Werner Kogler, das gestern Abend ausgedrückt.
DOMRADIO.DE: 300 Seiten dick ist das Regierungsprogramm, das an diesem Donnerstag vorgestellt wird. Was glauben Sie, werden darin auch Kirche und Religion vorkommen?
Prömpers: Sehr wahrscheinlich ja. Und zwar, weil die alte Regierung, die rechtskonservative, rechtspopulistische Regierung zwischen ÖVP und Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ) den Ethikunterricht ab Schuljahresbeginn im Sommer dieses Jahres alternierend zum Religionsunterricht einführen wollte. Da weiß man noch nicht ganz genau, worauf sie sich geeinigt haben werden. Aber das Bildungsministerium als solches bleibt in den Händen der Österreichischen Volkspartei, sodass durchaus vorstellbar ist, dass da alles beim Alten bleibt.
Zumal man weiß, dass Bundeskanzler Kurz im Vorfeld, als er noch als Parteiobmann agierte, bereits mit Bischöfen gesprochen hat und versucht hat, Verständnis dafür zu wecken, dass nicht alle Forderungen der katholischen Bischöfe in Österreich erfüllt werden können.
DOMRADIO.DE: Der Parteitag der Grünen muss dieses Regierungsprogramm auch noch abnicken. Kommt es dabei darauf an, ob es eine große Mehrheit für das Programm gibt oder ob es knapp ausgeht? Ist das wichtig für die Stabilität dieser Koalition?
Prömpers: Natürlich. Denn an dem Parteitag nehmen sowohl die Landtagsabgeordneten, die Parlamentsabgeordneten als auch übrige Funktionäre aus der Partei teil. Das sind insgesamt 276 Mitglieder. Benötigt werden 50 Prozent plus eine Stimme für die Zustimmung zu diesem Programm und zu den vier Ministerien, die die Grünen bekommen werden. Aber das wäre natürlich ein sehr schwaches Ergebnis.
Man rechnet allerdings auch damit, dass Werner Kogler, der im Moment in einer sehr großen und starken Position ist, weil er die Grünen nach ihrem Rausschmiss aus dem Nationalparlament 2017 wieder mit 14 Prozent ins Parlament zurückgeführt hat, einen großen Vertrauensvorschuss kriegen wird.
Und er wirbt seinerseits auch immer wieder darum, dass man verstehen muss, dass man in einer solchen Konstellation der eher linken Grünen und der eher rechtskonservativen Volkspartei Kompromisse braucht, die Zugeständnisse auf beiden Seiten erforderlich machen. Für Klimafragen gilt das bei der Österreichischen Volkspartei und für den Umgang mit Migranten beispielsweise bei den Grünen.
DOMRADIO.DE: Auch Deutschland schaut neugierig darauf, wie diese Koalition in Österreich funktionieren wird. Denn bei uns wäre das zwischen der CDU/CSU und den Grünen theoretisch auch irgendwann denkbar, oder?
Prömpers: Denkbar wäre das. Allerdings ist die Voraussetzung, denke ich, in der Bundesrepublik noch etwas anders. Denn an der Spitze der CDU/CSU steht als Kanzlerin Angela Merkel, die gesagt hat, dass sie aufhören wird. An der Spitze der CDU steht Annegret Kramp-Karrenbauer, der nicht alle Parteimitglieder zutrauen, die Nachfolge Merkels anzutreten. Und an der Spitze der CSU steht Markus Söder, der sich selber sicherlich zutraut, Bundeskanzler zu werden.
Aber für alle drei Personen, würde ich sagen, gilt, dass sie nicht so charismatisch, vorwärtstreibend, jung und dynamisch wie Sebastian Kurz sind, der seine Partei seit dem Mai 2017 in ungeahnte Höhen geführt hat. Die ÖVP lag zeitweise knapp über 20 Prozent und ist jetzt bei 35 Prozent, sodass man sagen kann, dass er wesentlichen Anteil an dem Erfolg hat.
Das gilt ebenso für Werner Kogler, der die Partei zurückgeführt hat. Auf grüner Seite in Deutschland gäbe es sicher Robert Habeck und Annalena Baerbock, die das Szenario befürworten würden.
Aber ob die CDU/CSU so weit ist? Da hab ich noch so meine Bedenken.