Ein katholischer Fotograf auf dem Pilgerweg nach Trondheim

"Das Ziel bin ich selber"

Einmal im Leben in den hohen Norden pilgern, nach Trondheim zum Nidarosdom – schon lange der Traum des katholischen Fotojournalisten Harald Oppitz. Vor einigen Wochen hat er sich auf den Weg gemacht, um Gott und auch sich selbst neu zu finden. 

Harald Oppitz macht eine Pause auf seiner Pilgertour. / © Harald Oppitz (privat)
Harald Oppitz macht eine Pause auf seiner Pilgertour. / © Harald Oppitz ( privat )

DOMRADIO.DE: Warum haben Sie sich ausgerechnet auf den Weg Richtung Trondheim gemacht und nicht etwa nach Santiago, wie so viele andere?

Harald Oppitz (Fotograf bei der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)): Norwegen ist eins meiner Lieblingsländer. Ich war schon öfter in Norwegen, war auch schon in Trondheim und im Nidarosdom. Irgendwie verbindet mich mit diesem Nidarosdom sehr, sehr viel - von den Gefühlen her.

DOMRADIO.DE: Deshalb wollen Sie jetzt hinlaufen. 550 Kilometer haben Sie seit Ende Juli schon zu Fuß zurückgelegt. Wie geht es denn den Füßen?

Oppitz: Denen geht es erstaunlich gut. Wenn man überlegt, dass ich irgendwie von Null auf Hundert gestartet bin. Ich bin normalerweise kein Wanderer. Ich habe einfach meine Schuhe geschnürt, hab die Haustür zugeschlossen und bin losgegangen. Die erste Woche taten Rücken und Füße schon ziemlich weh, aber mittlerweile gewöhnt sich der Körper daran. Der Rucksack ist immer noch schwer, aber es geht mir eigentlich gut und es macht Spaß. 

 

 

DOMRADIO.DE: Sie wollten aber ganz gezielt pilgern und nicht einfach wandern. Warum?

Oppitz: Das ist schwer in ein paar Sätzen zu sagen. Ich bin jetzt seit 20 Jahren bei der Katholischen Nachrichten-Agentur. Irgendwie sage ich immer: Gott ist mein Chef und ich arbeite für ihn. Aber im Alltag, in diesem Hamsterrad mit vielen Terminen und Organisatorischem, ging diese nahe Beziehung verschütt. Was ist eigentlich meine Verbindung zu Gott? Wo spricht er zu mir? Deswegen habe ich gesagt: Ich gehe einfach mal los und mache mich auf die Suche nach Gott und nach mir selber. Das Ziel, wo ich ankomme, ist also eher zweitrangig. Das Ziel bin ich selber.

DOMRADIO.DE: Sie wollten sich neu auf die Suche nach Gott machen. Wie ist das denn bisher? Haben Sie in manchen Augenblicken tatsächlich das Gefühl, ihm ein bisschen näher gekommen zu sein?

Oppitz: Ja, auf jeden Fall. Ich habe die ganze Tour nicht geplant. Ich erlebe das immer wieder, wenn ich zum Beispiel meine Unterkunft suche. Viele sagen zu mir: Sorry ist ausgebucht. Da müssen Sie eine Woche vorher anrufen. Aber ich mache das nicht. Ich habe nicht geplant, wo ich am nächsten Abend bin. Sondern ich vertraue einfach darauf, dass ich irgendetwas finden werde. Und bisher hat das alles immer sehr, sehr gut geklappt. Ich hab jede Nacht irgendwie eine Unterkunft gefunden. Ich habe auch schonmal bei einem Pfarrer im Garten gepennt oder bei einem Orden an der Tür geklingelt und die hatten noch ein Gästezimmer. Ich habe da schon viele schöne Dinge erlebt.

Ein anderes Beispiel: Gerade im Sauerland, wo es in den letzten Wochen um 35 Grad warm war - wenn Du da den Berg hochgehst, total schlapp bist, und auf einmal siehst Du einen Brombeerstrauch, voll mit Früchten. Das ist mir so oft passiert! Ich habe mir erstmal eine Auszeit mit Brombeeren gegönnt und dachte mir: Danke, super. Das war genau zur richtigen Zeit. So sind wirklich einige Dinge passiert. Auch, dass mir wirklich unglaublich nette Menschen begegnet sind. Das merke ich immer wieder. Ich werde hier beschenkt auf dieser Tour, das ist unglaublich. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich so viele Geschenke bekomme.

 

 

DOMRADIO.DE: Sie melden sich von unterwegs auch immer wieder über Facebook - mit schönen Fotos und auch mit dem, was Sie bewegt. In einem dieser Posts vergleichen Sie Ihr freiwilliges Unterwegssein mit dem erzwungenen Unterwegssein von Flüchtlingen.

Oppitz: Das war gerade in dieser Zeit, als es die Berge rauf und runter ging, im Sauerland, bei 35 Grad im Schatten. Wo es aber auch nicht immer unbedingt Schatten gibt. Das war ganz schön anstrengend. Da habe ich einfach nur gedacht: Viele Menschen, gerade auch aus Afrika, sind auch unterwegs. Dort kann es auch unglaublich heiß sein. Diese Menschen machen das aber nicht freiwillig. Ich bin freiwillig unterwegs. Ich kann auch aufhören. Jederzeit, wann immer ich möchte, kann ich mich in den Zug setzen und nach Hause fahren. Ich habe ein Netz, einen doppelten Boden, eine Sicherheit hinter mir. Das haben Flüchtlinge nicht. Die Flüchtlinge, die unterwegs zu uns nach Europa sind, machen das nicht zum Spaß.

Und was die auf dem Rücken tragen ist für sie wahrscheinlich das einzige, was sie noch haben. Ich habe allen möglichen Pröll dabei. Ich schleppe eine Kerze mit mir rum - eine große Stumpenkerze. Damit ich mir abends immer mein Kerzchen anzünden kann - was schön ist. Das brauche ich aber eigentlich alles gar nicht. Und das, was die Flüchtlinge dabei haben, ist oft das einzige, was ihnen noch bleibt. So fiel mir auf: Wir sind zwar beide unterwegs, aber ich im totalen Luxus und die Flüchtlinge in der totalen Not. Da kam mir dann die Idee: Wenn das Projekt hier abgeschlossen ist, wenn ich vielleicht mal meine Füße in die Ostsee halte, möchte ich für jeden Kilometer, den ich jetzt gehe, zehn Cent spenden für ein Caritas-Flüchtlingsprojekt.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie doch etwas von einem Ziel angedeutet - "die Füße in die Ostsee halten". Wie geht es denn jetzt weiter für Sie? 

Oppitz: Wenn alles klappt, habe ich noch vier Wochen Zeit. Ich habe meinen Arbeitgeber, die Katholische Nachrichten-Agentur, einfach gefragt, ob ich einen Monat unbezahlten Urlaub haben kann und ein Monat ist mein Sommerurlaub. Jetzt habe ich also praktisch noch vier Wochen Zeit. Ich stehe jeden Morgen auf, gucke einfach mal auf eine Seite, wo der Europäische Wanderweg E1 in einzelne Etappen eingeteilt ist. Dann überlege ich: Gehe ich die ganze Etappe oder gehe ich nur einen Teil? So gehe ich einfach voran und dann werden wir mal sehen wie weit es führt.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR